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Über mich (weiblich/ nicht mehr ledig/ jung)

Aufgewachsen bin ich in einer Familie mit zwei jüngeren Geschwistern. Von außen eine gut funktionierende Familie, von innen eher distanziert und voneinander getrennt. Zärtlichkeit sagte mir nichts. Dagegen fühlte ich mich aber schon sehr früh verantwortlich für das Leid anderer. Ich war ein sehr schüchternes Mädchen, das sich von vielen Menschen ausnutzen ließ, weil es nie gelernt hatte, Grenzen zu setzen.
Schon früh wusste ich, dass es einen Gott gibt, der mich liebt. Oft bat ich ihn, mich als sein Kind anzunehmen. Wie sehnte ich mich nach einem liebenden Vater, der mich annimmt! Aber ich konnte lange nicht glauben, dass ich einem allmächtigen Gott wichtig sein sollte.
Irgendwann als Jugendliche begriff ich aber, dass gerade dieser Gott mich schon zum ersten Mal, als ich ihn bat, sein Kind werden zu dürfen, angenommen hatte. Er war schon längst mein Vater geworden! Das machte mich unheimlich froh, und ich spürte, dass ich zum ersten mal bedingungslos geliebt wurde.

Meine innere Leere behielt trotzdem meistens die Überhand. Als sich dann ein junger Mann in mich verliebte – ich war damals 16, er ein paar Jahre älter – fühlte ich mich plötzlich beachtet. Ich wollte keine Beziehung zu ihm; ich war nicht verliebt und außerdem kam er aus einem kriminellen Hintergrund. Aber ich genoss es, plötzlich wichtig zu sein. Und ich genoss es, auf einmal ein Stückchen Macht über jemanden zu haben, wo doch sonst alle die Macht über mich hatten. Ich konnte ihn abblitzen lassen – und doch kam er immer wieder winselnd zu mir und versuchte, mich für sich zu gewinnen. Tja, und wo ich noch im Glauben war, dass ich die Macht über ihn hatte, dreht er langsam und von mir ungeahnt den Spieß um. Er machte mich von seiner Anerkennung abhängig. Bevor ich das realisieren konnte, missbrauchte er mich sexuell. Ich empfand Ekel und Schmerzen. Aber was ich noch erschreckender fand, waren meine körperlichen Reaktionen auf den Missbrauch. Ich fühlte mich schuldig und bat Gott um Vergebung. Aber ich konnte seine Vergebung nicht annehmen. Der junge Mann hatte mit einem Mal etwas in mir wachgerüttelt, das ich vorher nicht kannte. Darum fiel ich noch ein paarmal auf ihn rein, bis er dann endlich aus meinem Leben verschwand und nach einiger Zeit wieder im Knast landete.

Im Laufe der nächsten Jahre schaffte ich es irgendwie, dieses Ereignis völlig von mir abzuschirmen. Ich verdrängte es einfach und war weiterhin das liebe, brave Mädchen, das ich auch vorher war – vielleicht noch ein Stückchen lieber. Manchmal wollte der Schmerz hochkommen. Wenn andere mir sagten, wie nett ich doch sei, dachte ich nur bitter: „Wenn ihr wüsstet, wer ich wirklich bin!“. Aber ich verdrängte diesen Schmerz und versuchte, umso netter zu sein. Trotz alledem begegnete mir Gott weiter als mein liebender Vater. Meine Beziehung zu ihm wurde stärker – und er war der einzige, bei dem ich wirklich ehrlich sein konnte und wusste, dass er mich immer noch liebt.

Nach einigen Jahren erzählte ich einmal meiner besten Freundin von meiner „schlimmen“ Vergangenheit. Wohl aus Unsicherheit bekam ich von ihr aber wenig Rückmeldung und war mir von da an sicher, dass sie diesen Teil meines Ichs verachten würde. Ich sprach es einfach nicht mehr an.
Der zweite Mensch, dem ich es dann 7 Jahre nach dem Missbrauch erzählte, war mein erster Freund und jetziger Mann. Ich war geschockt, dass er wütend auf diesen Kerl war. Denn ich hätte das Wort „Missbrauch“ in diesem Zusammenhang nie in den Mund genommen. War ich mir doch sicher, dass alles allein meine Schuld gewesen war! Meinen Missbraucher entschuldigte ich damit, dass er ja eben aus einem kriminellen Hintergrund kam und es nicht anders gelernt hatte.
Etwa 1,5 Jahre später fand ich eine Seelsorgerin, mit der ich meine Vergangenheit zum großen Teil aufarbeiten konnte – meine Kindheit und auch den sexuellen Missbrauch. Als ich ihr von letzterem aus meiner gewohnten Schuld-Perspektive erzählte und sie plötzlich erwiderte: „Das war Missbrauch!“, dämmerte es mir langsam.

Das Aufarbeiten war sehr schmerzlich. Ich musste meine Angst zulassen, der Wut ins Gesicht sehen, die ich mein Leben lang in mich reingefressen hatte, und viele Nächte mit Albträumen hinter mich bringen. In dieser Zeit war ich depressiv und quälte mich nur so durch das Leben.
Als ich mit 25 heiratete – weil wir beide überzeugte Christen sind, warteten wir glücklicherweise mit dem Sex bis zur Ehe – kam der Missbrauch mit voller Wucht wieder in mir hoch. Das Schlimmste war die innerliche Zerrissenheit zwischen der Sehnsucht nach Zärtlichkeit und der gleichzeitigen Angst davor. Jetzt, nach 3,5 Jahren, ist dieser Zwiespalt immer noch in mir, aber er hat keine Macht mehr über mich. Manchmal überwältigt er mich noch, aber ich habe gelernt, damit zu leben und trotzdem das Schöne genießen zu können. Vielleicht wird irgendwann einmal die Angst weg sein. Ich weiß es nicht und ich muss es auch jetzt noch nicht wissen. Gott weiß es! Und ich kann nur staunen über die Geduld, die mein Mann mit mir hat!!
Die Zeit der Aufarbeitung war ein schrecklicher Prozess, aber sehr notwendig für mein Leben. Ich musste lernen, mir selbst zu begegnen. Dabei sah ich viel Finsternis, Zerstörung und Dreck. Aber all das musste raus. Jesus konnte es aushalten. Er räumte mein Leben frei, damit seine Liebe, seine Freude und seine Freiheit Platz hatten, in mein Herz strömen zu können.

Ein sehr wichtiger Bestandteil meines Heilungs-Prozesses war eine christliche Selbsthilfe-Gruppe für missbrauchte Menschen, die sich Befreit Leben nennt und in mehreren Gebieten in Deutschland und Österreich aktiv ist (für alle Arten von Missbrauch: verbal, emotional, sexuell, geistlich, körperlich). Hier lernte ich, offen über meine dunkelsten Seiten und Erlebnisse reden zu können und trotzdem akzeptiert und angenommen zu sein.

Meine Heilung ist natürlich noch nicht abgeschlossen. Es gibt immer mal wieder Tiefen, Versagen und Ängste. Aber ich lebe wieder! Ich kann wieder frei atmen, mich wieder an Schönem freuen, kann Gottes Liebe in mich aufnehmen und genießen, und ich lerne, Menschen zu vertrauen.
Und das Wunderbarste ist: Gott gebraucht mich sogar, um anderen Menschen helfen zu können, die Ähnliches erfahren haben. Das finde ich ein wunderschönes Vorrecht und kann ehrlich sagen, dass sich mein Leid dafür gelohnt hat.
Wenn in der Bibel steht, dass Gott alles zu unserem Besten dienen lässt, dann kann ich dem jetzt nach meiner Aufarbeitung des Missbrauchs von ganzem Herzen zustimmen. Mein Leben ist um so vieles reicher geworden als vorher! Und ganz besonders um das Wissen, dass die liebenden Arme meines Papas im Himmel mich niemals fallen lassen werden!

 

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