Carsten Schäfer, bisher Vorstandskoordinator des GAJB NRW-Vorstands und Christian Jansen, bisher Bildungskoordinator, haben ihren Rücktritt erklärt. Die Linke brauche einen echten Neuanfang außerhalb der Grünen erklärten sie in ihrem Rücktrittschreiben, das wir hier dokumentieren.

Carsten Schäfer

Vorstandskoordinator im Landesvorstand

GAJB NRW

Christian Jansen

Bildungskoordinator im Landesvorstand

GAJB NRW


An alle Mitglieder des GAJB NRW


Rücktritt aus unseren Ämtern im GAJB-NRW-Landesvorstand



Liebe Freundinnen und Freunde,

mit diesem Schreiben treten wir von unseren Ämtern im GAJB-NRW-Landesvorstand zurück. Wir danken Euch zunächst einmal für das Vertrauen, daß Ihr uns mit der Wahl im Februar ausgespochen habt. Trotzdem ist es uns jetzt nicht mehr möglich, weiter für das GAJB NRW zu arbeiten.

Das GAJB ist anerkannter Jugendverband der Grünen. Wir haben schon vor einigen Wochen die Grünen verlassen, weil wir nicht mehr Mitglieder einer Partei sein können, die sich nicht eindeutig gegen den Krieg der NATO gegen Jugoslawien stellt. Wir konnten aber auch nicht weiter Mitglieder einer Partei sein, die alle Grundsätze linker Politik über Bord wirft, Grundsätze wie soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Ökologie, Menschenrechte. Diese Prinzipien werden von den Grünen nicht mehr vertreten. Das neue wirtschafts- und sozialpolitische Papier der Bundestagsfraktion spricht da eine eindeutige Sprache. Die gleiche Sprache sprechen auch die praktischen Handlungen der Politik in den letzten Wochen. Besetze Geschäftsstellen werden geräumt, obwohl man weiß, das die BesetzerInnen zum Teil illegal sind und ihnen durch die Räumung die Abschiebung droht. KriegsgegnerInnen werden verbal verunglimpft.

Die Aussagen führender EuropapolitikerInnen und das neue Papier der Liberalos um Mathias Berninger und Konsorten haben uns nun den Rest gegeben. Die Partei könne nicht zu allen Seiten offen sein, man müsse sich entscheiden zwischen einer Offenheit nach links und einer in die Mitte, sagte Heide Rühle in Aachen. Und fügte hinzu, daß sie zur Mitte offen sein wolle. Diese Position ist ganz offensichtlich die Mehrheitsposition innerhalb der Grünen, eine Mehrheitsposition, die so sehr gefestigt ist, daß es von links keine Chancen mehr gibt, gegen sie anzukommen.

Wir aber sind Linke, nicht nur wenn es politisch opportun ist. Unsere Ideale und politischen Überzeugungen sind links. Wir wollen eine langfristige Veränderung der Wirtschaftspolitik, eine andere Gesellschaft. Grüne und grün-nahe Strukturen sind nicht mehr der Rahmen, in dem diese Ziele verwirklicht werden können. Die Grünen sind eine bürgerliche Elitenpartei geworden, eine Öko-FDP ohne jeden kritischen Ansatz. Bestimmte Mitglieder unseres Jugendverbands empfinden dies inzwischen nicht einmal mehr als Beleidigung, sie befürworten es sogar.

Dieser Jugendverband ist (zum Glück) immer noch links, der Beschluß aus Oberhausen zeigt es. Wir sind allerdings der Überzeugung, daß dies kein dauerhafter Zustand sein wird. In einem Jahr oder in zweien werden wir nicht mehr die Kraft haben, uns gegen die starke liberalistische Strömung zu wehren. Das liegt nicht zuletzt daran, daß die Grünen nach Bielefeld nicht mehr für linke Jugendliche attraktiv sind, dafür aber eine Heimat für jene werden, die bei den Jungen Liberalen keine Chancen hatten.

Das heißt aber nicht, daß wir unsere politischen Ideale aufgeben würden oder uns nicht auch weiter politisch betätigen wollten.

Die Linke braucht einen politischen Neuanfang. Dieser Neuanfang ist aber nur zu schaffen, wenn wir uns endgültig und deutlich von den Grünen trennen. Dazu gehört auch der Austritt aus dem grünen Jugendverband. Wir wollen nicht die Jusos der Grünen werden, kritisch, aber angepaßt, wenn es darauf ankommt. Sind wir das, erfüllen wir weiter die gesellschaftliche Funktion der Grünen: Kritische Kräfte einzubinden und ruhigzustellen. Das ist aber nicht mehr das, was der Linken weiterhelfen kann. Die Linke kann nur wieder an Kraft und gesellschaftlicher Bedeutung gewinnen, wenn wir die Fronten eindeutig ziehen.
Wir möchten außerdem nochmal daran erinnern, daß die größten Erfolge immer Erfolge der gesellschaftlichen Bewegungen gewesen sind, nie Erfolge der Parteien. Nur der Anti-Atom-Bewegung der siebziger und achtziger Jahre ist es zu verdanken, daß der Atomausstieg inzwischen ein in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiertes gesellschaftliches Ziel ist. (Eine schnelle Umsetzung scheint ja inzwischen auch durch die Grünen nicht mehr gewollt zu sein, dies aber nur am Rande.)

Wir sind inzwischen der Auffassung, daß es ein falscher Ansatz ist, in Zeiten, in denen die Linke schwach ist, zu versuchen, ihre Ziele auf dem parlamentarischen Parkett umsetzen zu wollen. Ohne eine starke gesellschaftliche Rückendeckung für die politischen Ziele sind die Anpassungskräfte der herrschenden Ordnung offenbar viel zu stark, um dauerhaft gegen sie bestehen zu können.
Wir müssen jetzt also zunächst die gesellschaftliche Bewegung aufbauen. Das wird keine leichte Aufgabe. Aber eine hoffnungsvollere, als der Versuch, die Grünen erneut in eine linke Richtung umzupolen.

Wir hoffen, daß sich einige Linke uns anschließen werden. Allen anderen wünschen wir selbstverständlich viel Glück, viel Kraft und viel Geschick gegen den Rechtstrend, auch wenn wir nicht glauben, daß er noch aufzuhalten ist. Wir werden für Euch da sein, wenn Ihr auch zu der Überzeugung kommt, gehen zu müssen. Allen Realos, Liberalos und sonstigen Neu-Grünen wünschen wir viel Spaß und gutes Gelingen: Euer Erfolg kann unserer Sache nur zuträglich sein.


Carsten Schäfer
Christian Jansen

28. Juni 1999


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