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Staatliche Realschule für Knaben
Ingolstadt - Bayern
Gedenkausstellung für NS-Opfer 2001


 
Tag des Gedenkens
an die Opfer des Nationalsozialismus


Gedenkausstellung


Die Verfolgung von Kindern und Jugendlichen

Eine Ausstellung von Schülern der Ickstatt-Realschule Ingolstadt in der Raiffeisenbank

Gedenkausstellung




Gelbgrauer Granit

Der lange Wandertag zurück nach Flossenbürg

Eine Ausstellung in der Raifteisenbank-Galerie Ingolstadt

 

 

Der fachliche Hintergrund

Davon war er überzeugt, der große Bildhauer Henry Moore: "Ich glaube, dass Plastik uns in unserem Sehen erziehen kann, sie trägt zu unserem Bewusstsein von Leben und Kunst bei, und sie kann den Geist erheben".
Der Hilferuf nach plastischem Gestalten in den Schulen ist in den letzten beiden Jahrzehnten unüberhörbar und spürbar deutlich geworden. Der großangelegte bayerische Modellversuch "Plastisches Gestalten", Fördervorhaben A 4225.00 an der Dillinger Akademie 1980 - 1983 hat Bewegung in die Schulen gebracht, trotz aller besonderen Probleme im Unterricht: Unterrichtszeit, Material- und Werkzeugbeschaffung und "dass nicht jede Lehrperson über umfangreiche eigene plastische Erfahrung verfügt" (Dietrich Grünewald).
An der Ickstatt-Realschule ist plastisches Gestalten seit über 40 Jahren fest etabliert und an der Basis verwurzelt. In der neuen sechsstufigen Realschule hat Frau Staatsministerin Monika Hohlmeier der Freiherr-von-Ickstatt-Realschule - Gott sei Dank - wieder die Bildung der Wahlpflichtfächergruppe mit den Profil- und Prüfungsfächern Kunsterziehung oder Werken zugestanden. Damit konnte unserem "Anliegen weitgehend Rechung getragen werden". Der Faden ist wieder aufgenommen. Die Regelung "garantiert die angemessene Förderung gestalterisch begabter Realschüler bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 und ermöglicht den Schulen, ihr eigenes Profil im künstlerisch gestalterischen Bereich zu entwickeln".
Die Klasse 7d, nun die erste Klasse, die sich dem Profilanspruch stellt, präsentiert sich mit der Ausstellung "Gelbgrauer Granit" vor der Öffentlichkeit.


Der Anlass

Von Roman Herzog angeregt, nun schon zum viertenmal mit einer Ingolstädter Schule durchgeführt, wurde der Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus begangen: Am Freitag, 26. Januar 2001, 11.00 Uhr in der Fronte, veranstaltet von der Stadt Ingolstadt und der Freiherr-von-Ickstatt-Realschule. Es wurde in den Medien darüber berichtet.
Schon am 5. Oktober 2000 kam es zum "langen Wandertag zurück nach Flossenbürg", der uns, die Klasse 7d, den Kunsterzieher und Bildhauer Uli Seidler mit seinen 31 Schülern, als Erfahrungsgruppe in das ehemalige Konzentrationslager führte, in einem schmutzigen Teil der deutschen Geschichte. Die Eindrücke sind in Kunststeinköpfe materialisiert, in Schüler- und Lehrerköpfen manifestiert.


Der Inhalt

Der im Lehrplan Werken verankerte Schritt vom Naturstein zum Kunststein zeigt sich hier in einem unangenehmen geschichtlichen Vollzug. Er hat auch etwas zu tun mit der Lektüre von Judith Kerrs "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" aus dem Deutschunterricht. Den entscheidenden fächerübergreifenden Schritt tat dann die Klasse 7d mit ihrem Lehrer Uli Seidler an einem Schulwandertag. Und dieser wurde zum "langen Wandertag zurück nach Flossenbürg".

Sand, Splitt und Steinchen unter Aufsicht der Archäologin im ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg zusammengekratzt, aufgeschaufelt und aufgelesen, in Baueimern nach Ingolstadt abtransportiert, mit Granitvorschlag und Zement versetzt, ergaben gedacht-erlebte Häftlingsköpfe. Wie soll sich ein Zwölfjähriger oder ein Fünfundfünfzigjähriger denn gedenkend erinnern?

Die Köpfe wurden zuerst aus Modellierton auf "Kopfgerüste" geformt, in Kisten gesetzt, in zweischalige Gipsformen gegossen, wieder herausgelöst. Die Formen wurden gefüllt mit "Kunststeinspeis" aus Flossenbürger KZ-Boden, aus Stockvorschlag der Granitindustrie, aus Härte und Leid.

So stehen sie nun vor uns - und sehen uns an, mit innerem Auge gesehene jungen Häftlinge, die sich in kurzer Zeit totarbeiten mussten. Sie sind zu kleinen Denkmälern geworden und haben sich jetzt schon in den Köpfen der Klasse 7d als mittelbar erfahrene und doch "begriffene" Erinnerung festgesetzt, so als lebten sie trotz ihrer Erstarrung weiter.
Auch der Porträtkopf von Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, aus dem Material gegossen, auf dem er betend vor dem Galgen gekniet hatte, bevor er am 9. April 1945 im Morgengrauen gehenkt wurde, ist aus dem Stoff der Erinnerung gemacht.
Ja, in diesen Köpfen ist das Material der Geschichte drin. Grausam einfach, schrecklich lapidar und damit beängstigend.
Schüler und Lehrer haben "begriffen", was sie aus dem Spektrum der Geschichte gesehen und gelernt haben. Sie haben mehr als "Überbleibsel", sog. Reliquien verarbeitet und gearbeitet.


Das Material

Wir haben den gelbgrauen Flossenbürger Granit gewählt, weil er zum Kern der Geschichte des Konzentrationslagers Flossenbürg gehört.
Wir haben den Naturstein in seiner Form als "Vorschlag", so heißt das Material, das beim Stocken abfällt, und "Dreck", der den Boden um die "Gefängnisbaracke", auf dem die Häftlinge standen und sich bewegten, litten und starben, der stummer Zeuge alles Geschehens ist, verkörpert, mit Weißzement, Farbpigment und Wasserglas zu Kunststeinspeis gemischt.
Der gelbgraue Flossenbürger Granit ist immer schon ein gefragtes, edles Material gewesen. Besonders im Dritten Reich war er Teil der Repräsentationsarchitektur, Ausdruck der Macht. In Ingolstadt prägt er seit neuestem das Erscheinungsbild des museum mobile von AUDI.


Bonhoeffer, von Uli Seidler

Pfarrer Dietrich Bonhoeffer

Wie die Schüler so hat auch ihr Lehrer, der Kunsterzieher und Bildhauer Uli Seidler einen Kopf in gleichem Verfahren hergestellt, ein Porträt von Dietrich Bonhoeffer, dem Wiederstandspfarrer der Bekennenden Kirche (1906-1945).
Mit figürlichen Arbeiten ist Uli Seidler seit der Sommerausstellung im Haus der Kunst 1980 nicht mehr an die Öffentlichkeit getreten. Nach der "figürlichen Abstinenz" von zwei Jahrzehnten stellt der Bonhoefferkopf eine Lockerung in seinem Schaffensprogramm dar.
Mit Dietrich Bonhoeffer und seinem kurzen Lebenswerk hat sich Seidler schon in den Jahren 1967/68 während seines Studiums in einem evangelischen Arbeitskreis gründlich beschäftigt: Widerstand und Ergebung. Dieser Mann ist für ihn "verehrungswürdig". Zum Gedenken an ihn hat Uli Seidler bereits 1982 für das "Dietrich-Bonhoeffer-Haus" in Hamm eine Kreuzplastik geschaffen. Dieser "Kopf" hat endlich entstehen müssen.


Begleitung des Projekts

Zuschüsse für diesen "Wandertag" seitens des Staates konnten nicht gewährt werden. Das Sponsoring der Raiffeisenbank Ingolstadt und die Hilfestellung der Firmen Lindner Natursteine und Fielmann Optiker in Ingolstadt und der Granitwerke Jakob in Flossenbürg halfen uns das Projekt zu realisieren.
Dafür unser Dank.
Die Ausstellung in der "Galerie der Raiffeisenbank", Ludwigstraße 34 in Ingolstadt ist von 5. Februar bis 5. März 2001 zu den Geschäftszeiten der Bank geöffnet.
Der Eintritt ist frei.

Uli Seidler



ausführlicher Artikel zur Gedenkfeier in Ingolstadt:
DONAUKURIER, 26.01.2001 © 2001 clix online

siehe auch:
Weitere Projekte von Uli Seidler


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