Duftspur im Wind

Vorübergehende Form.

Asche vermischt sich mit feinen Sand.

Der Rauch verweht mit dem Wind.

 

Traditionell wird Räucherwerk (Koh) abgebrannt, um seine Gebete, Wünsche und seinen Dank mit dem aufsteigenden Rauch zum "Himmel" zu schicken, um böse Geister zu vertreiben, um der Umgebung eine besondere Atmosphäre zu verleihen - oder einfach nur, weil es schön ist und gut riecht. Ein angenehmer Duft kann zu Entspannung, Beruhigung und Wohlbefinden beitragen und hilft, sich bei der Meditation besser zu zentrieren. Aber nicht jeder Duft ist auch angenehm. Die schweren Düfte können sogar Unruhe und körperliche Übelkeit hervorrufen, insbesondere in geschlossenen, schlecht gelüfteten Räumen. Zu empfehlen sind die japanischen Räucherstäbchen, die einen sehr angenehmen leichten Duft haben.

Wenn Sie ein Räucherstäbchen abbrennen wollen, setzen Sie sich bequem hin, vielleicht auf die Terrasse, den Balkon, oder nah an das geöffnete Fenster. Nehmen Sie das Räucherstäbchen in die Hand und zünden es an einem Ende an, - schlagen Sie die kleine Flamme mit einer leichten Bewegung aus dem Handgelenk heraus aus, so dass das Stäbchen nur noch glimmt. Dann stecken Sie es in eine Schale mir feinem hellem Sand. Setzen Sie sich bequem und entspannt hin. Beobachten Sie den orange-gelben Glutring, den zarten, aufsteigenden Rauch, nehmen Sie den Duft des Stäbchens wahr, - atmen Sie durch die Nase tief ein.

Beobachten Sie, wie der Glutring am Räucherstäbchen langsam nach unten wandert und über sich die graue Asche stehen läßt, bis sie herabfällt auf den feinen Sand. Langsam schiebt sich der Glutring weiter, - und wieder bleibt die Asche stehen, neigt sich, immer weiter, bis sie schließlich herabfällt.

Beobachten Sie, wie sich die Duftspuren im Wind drehen, sich aufteilen, wieder vereinigen und sich wieder trennen. Der feine Rauch weht Ihnen entgegen, entfernt sich wieder. Kommen und Gehen mit der Bewegung des Windes. Atmen Sie tief ein. Atmen Sie gut aus. Dieser Augenblick gehört Ihnen.

Sie können zusehen, wie das Räucherstäbchen immer kleiner wird, sich in Rauch und Asche auflöst. Wann hört das Räucherstäbchen auf, ein Räucherstäbchen zu sein? Und wann fängt ein Räucherstäbchen an, ein Räucherstäbchen zu sein? Schon bevor die einzelnen Zutaten für eine kurze Weile zusammenkommen? Können Sie die Bäume sehen, die ihr Holz, ihr Harz zur Verfügung gestellt haben? Können Sie die Gewürznelken sehen? Wann hört das Räucherstäbchen auf, ein Räucherstäbchen zu sein? Wohin ist es verschwunden, das Räucherstäbchen? Ein Kreislauf des Kommens und Gehens. Asche auf feinem Sand. Duftspur im Wind.

In der Nacht, tief in den Bergen, sitze ich in Zazen.

Die Angelegenheiten der Menschen gelangen nie hierher.

In der Stille sitze ich auf einem Kissen, dem leeren Fenster gegenüber.

Die endlose Nacht hat den Duft des Räucherstäbchens verschluckt;

Meine Robe ist zu einem weißen Gewand aus weißem Tau geworden.

Unfähig zu schlafen, gehe ich in den Garten;

Plötzlich erscheint über der höchsten Bergspitze der runde Mond.

Ryokan

© Arndt Büssing (2000)