VIETNAM 1965-75
Wie üblich ,so begann auch der Vietnamkrieg mit diversen Drohungen. Als am 2. März 1965 100 US-Jagdbomber in Da Nang starteten, um die Ziele im Inneren Nordvietnams anzugreifen, nahmen Drohungen eine neue Wendung. Es war der erste Luftangriff, der nicht mehr als Gegenschlag zu rechtfertigen war. Er leitete Amerikas abgestuftes Bombardement, die Operation Rolling Thunder (Rollender Donner), ein.
Ziel war die Unterbindung des Nachschubs von Waffen und Soldaten aus Nordvietnam; die Kommunisten sollten so zu einem Verhandlungsfrieden gezwungen werden. Aber beide Ziele wurden nicht erreicht. Es erhöhte nur den Preis des Miß- erfolgs. Sechs Tage später, am 8. März, landeten 3.500 US- Marines in Da Nang, um die Luftwaffenbasis zu verteidigen. Der Krieg eskalierte mit der ihm eigenen Logik.
Der Vietcong wollte nun, durch das Muskelspiel des US-Militärs provoziert, diesen Krieg gewinnen. Ende Mai schien dies gelungen zu sein. Als die Monsunregen begannen, starteten der Vietcong und die nordvietnamnesischen Streitkräfte eine Reihe von Blitzangriffen auf die Regierungstruppen. Ange- sichts dezimierter Regimenter der südvietnamnesischen Streit- kräfte bat General Westmoreland am 7. Juni um eine Verstärkung der US-Truppen auf 200.000 Mann.
Der Angriff kam dann schnell und war siegreich. Operation Starlite begann am 18.August - ein kombinierter Land-, Luft-, und Seeangriff, der den Vietcong überraschte. Der Vietcong lernte aus dieser Niederlage: Wenn er diesen Krieg gewinnen wollte, dann ging dies nicht nicht in offenen Feldschlachten, sondern im verdeckten Guerillakrieg. Zur selben Zeit stellte Präsident Johnson die Kriegsdienstverweigerung unter Strafe; das Muster des Vietnamkriegs war gestrickt.
Im Herbst 1965 wurde der Vietnamkrieg härter und blutiger. Diese Phase wurde am 11. September durch die Ankunft der ersten kompletten Division, der 1. Luftaufklärungsdivision (luftbeweglich), eingeleitet. Die Aufklärer waren mit ihrer Hub- schraubermobilität die Speerspitze einer neuen und aggressiven Entwicklung in den amerikanischen Offensiven des "Auf- spürens und Vernichtens". Während die US-Flugzeuge Bombardements gegen Versorgungseinrichtungen am Ho-Chi-Minh- Pfad flogen, sollten die Bodentruppen die nordvietnamnesischen Truppen verjagen.
Ihre Chance kam, nachdem die 1. Luftaufklärung am 19.10. einen Angriff des Vietcongs auf das Lager Plei Me abgewehrt hatte. Westmoreland ergriff die Initiative und schickte seine Truppen in den Dschungel des Ian-Drang-Tals. Es folgten die bisher bittersten Kämpfe. Bis zum 20. November war die Hälfte einer nordvietnamnesischen Division zerstört worden.
Der Preis des Erfolgs war allerdings hoch. Die US-Verluste stiegen rapide an, und die Art des Krieges sollte sich weiter ver- ändern. Statt einer schnellen Entscheidung zog es Hanoi vor, in einem Abnutzungskrieg die US-Moral zu schwächen.
Zu Hause stand die Moral ohnehin unter dem Druck der Friedensbewegung, die mit zunehmendem amerikanischen Enga- gement ebenfalls wuchs. Bis zum Dezember standen über 200.000 Mann im Vietnameinsatz, das Bombardement wurde auf Laos ausgedehnt. Eine Feuerpause zu Weihnachten 1965 eröffnete die letzte kleine Chance eines ehrenvollen Friedens.
Ende 1965 blitzte am Horizont kurz der Hoffnungsschimmer des Kriegsendes durch einen Verhandlungsfrieden auf. Ende Ja- nuar 1966 wurden solche Hoffnungen durch die amerikanischen Düsenbomber endgültig zerstört. Für die Nordvietnamnesen war der 37tägige Waffenstillstand ohnehin nur ein Täuschungsmanöver der USA; für den Präsidentenberater Maxell Taylor war klar, daß Hanoi auf "unsere ernsthaften friedlichen Absichten" nicht überzeugend geantwortet hatte. Ein Stillstand brachte den Krieg in eine neue bittere Phase.
Als die Luftangriffe wieder begannen, näherten die USA sich immer mehr Hanoi und Haiphong, Ziele, die man bisher vermie- den hatte. Anfang April, die Nordvietnamnesen leisteten inzwischen Widerstand mit MiG-Kampfflugzeugen sowjetischer Her- kunft, setzten die USA strategische B-52-Bomber das erste Mal bei Angriffen auf die nordvietnamnesischen Versorgungsrou- ten ein.
Am Boden verbanden sich koreanische, australische und neuseeländische Truppen mit den US-Truppen in der bis dahin blutigsten Aufspür- und Vernichtungsaktion, die in der Operation Weiberheld/Weißer Flügel gipfelte. Vom 24.Januar an zo- gen die alliierten Truppen 40 Tage lang durch die Binh-Dinh-Provinz. Der Feind hatte 2.389 Todesopfer zu beklagen; es war ein weiterer, aber schwer einzuordnender Sieg in diesem Krieg ohne Grenzen.
Aber als die 1. und 25. Infanteriedivision die Aufspür- und Vernichtungsaktion übertrieben, bekamen die USA den Wider- stand der Alliierten zu spüren. Die große Zahl der US-Soldaten in Saigon gab der Stadt den Anstrich eines US-Lagers. Die Korruption der Regierung Ky führte schließlich zu einem bewaffneten buddhistischen Aufstand.
In den Sommermonaten des Jahres 1966 entwickelte sich der Vietnamkrieg zunehmend zu einem größeren Konflikt, der sich auf die Welt auszudehnen drohte. Da es mit der Operation Rollender Donner nicht gelungen war, den Widerstand der Nord- vietnamnesen zu brechen, erhöhte Amerika frustriert noch einmal den Einsatz und führte seine Bomber immer tiefer in den Raum Hanoi und Haiphong; am 30. Juli griffen die USA zum ersten Mal vorsätzlich die entmilitarisierte Zone (EMZ) an.
Die neutralen Nachbarn Vietnams, Laos und Kambodscha sahen sich plötzlich in der Schußlinie; noch gefährlicher, Chinas Grenzland war bedroht. Sowohl die Sowjetunion als auch China rückten plötzlich näher an Ho Chi Minh heran, während sich viele westliche Staaten, die bis dahin die Politik Präsident Johnsons unterstützt hatten, von dieser neuesten Eskalation des Krieges distanzierten.
Die Operation Hastings und Paul Revere in den Grenzgebieten des Nordens und der Zentralen Front, richteten sich beide gegen die Infiltration der Nordvietnamnesen. Zugleich eskalierte die Aufspür- und Vernichtungsstrategie mit neuer Härte und Intensität. Die Streitkräfte Nordvietnams wurden erfolgreich in Schach gehalten, aber es erwies sich als unmöglich, die kom- ministische Infiltration auch nur auf dem bisherigen Level zu halten. Im Süden konzentrierte Präsident Ky seine ganze militä- rische Macht auf die rebellierenden buddhistischen Streitkräfte, eroberte Da Nang zurück und übernahm am 22. Juni die Ge- walt in Quang Tri, dem letzten regierungsfeindlichen Stützpunkt. Verstärkte Guerillaaktivitäten wurden für die kommenden Wahlen vorausgesagt, aber die unmittelbare Gefahr eines buddhistischen Aufstandes war gebannt.
Bis Oktober 1966 hatte Amerikas abgestuftes Bombardement "Operation Rollender Donner" schon 18 Monate gewütet. Man wollte den Strom von Waffen und Versorgungsgütern über den Ho-Chi-Minh-Pfad unterbinden und den Kommunisten einen Verhandlungsfrieden aufzwingen. Aber Rollender Donner hatte bisher nichts erreicht. Daher wurde jetzt der Druck erhöht, um doch noch zum Ziel zu kommen. Die Operation erreichte ihre bis dahin gewaltsamste Phase.
Die amerikanischen Flugzeuge flogen monatlich 25.000 Bombeneinsätze und kamen näher an Hanoi heran. Am 2. Dezem- ber griffen sie Ziele nur acht Kilometer außerhalb der Stadt an; am 13. Dezember fielen Bomben auf den Rand von Hanoi und zerstörten Vororte und Dörfer. Am 26. Dezember kam es zu einer neuen Welle internationaler Kritik und US-Offizielle ga- ben zu, daß es "manchmal unmöglich ist, Schaden von zivilen Gebieten fernzuhalten".
Im Süden hatte Amerikas Aufspür- und Vernichtungsaktion einige Erfolge. In der Nähe der kambodschanischen Grenze wur- de die Operation Attleboro mit 1.100 feindlichen Opfern beendet. Am Ende des Jahres starteten südvietnamnesische Trup- pen einen Angriff auf den am besten befestigten Stützpunkt des Vietcong, den U-Minh-Wald im Mekong-Delta. Mit Unter- stützung der US-Luftwaffe und Bombardements der Marine veranstalteten 6.000 Mann der ARVN-Truppen einen viertägi- gen Blitzangriff.
Im kommenden Jahr wird sich der Kriegsdruck nicht vermindern und die Zahl der Opfer weiter steigen. Im Jahre 1966 waren über 5.000 Soldaten getötet und 37.738 verwundet worden. Noch schmerzlicher aber war der Tod einer riesigen Zahl von Zivilisten.