VIETNAM 1965-75

      


KRIEG `67

Nach Ablauf der Neujahrswaffenruhe wollte Amerika ab dem 2. Januar 1967, 7.00 Uhr noch mehr Belastungen übernehmen. Die Ankunft der 9. Infanteriedivision am 1. Januar erhöhte die US-Truppenstärke auf insgesamt 380.000 Männer. Der von der amerikanischen und südvietnamnesischen Kommandeuren entwickelte Plan eines Kampfverbandes gab den US-Truppen ab sofort die Führungsrolle in allen offensiven Kampagnen gegen die Kommunisten. Die Hauptarbeit der Befriedungspro- gramme lag damit bei der ARVN.

Diese Abmachung war die Folge einer ohnehin vollzogenen Entwicklung. Die US-Kommandeure wollten aber auch ener- gischer die Initiative übernehmen und den Bodenkrieg in eine neue Phase führen. Die Kommandeure waren die bis dahin sicheren kommunistischen Stützpunkte im Herzen Südvietnams leid. Dies betraf vor allem das berüchtigte Eiserne Dreieck. Es wurden Genehmigungen für Artilleriefeuer und Entlaubungsaktionen in der EMZ und den nördlichen Provinzen gegeben. Cedar Falls und Junction City waren großräumige und breit angelegte Offensiven, die den Feind in seinen Lagern in der Nähe von Saigon herausfordern sollten. Die Zerstörung ganzer Ortschaften und Wälder zeigten, daß Amerika nun ungedul- dig wurde und allmählich zu einer Entscheidung drängte. Diese massiven Aufspür- und Vernichtungsmissionen kamen dem Feind nicht ungelegen. Die Kommunisten kämpften einen Abnutzungskrieg: Angesichts eines großflächigen Angriffs traten sie den Rückzug an, um nach dem Abzug der amerikanischen Truppen die Gegend wieder in Besitz zu nehmen. Und trotz eindrucksvoller Verlustlisten zahlte sich schon jetzt die Taktik des Vietcong aus, Amerikas Kampfwillen abzunutzen, wodurch die Opposition gegen diesen Krieg in den Vereinigten Staaten wuchs.

Die bisher größte Einzeloffensive des Krieges, Operation Junction City, endete am 14. Mai 1967. Sie war ein schwerer Schlag gegen die kommunistischen Truppen. Die USA gingen von 2.700 gefallenen VC aus. 5.000 Bunker und militärische Anlagen wurden zerstört, 500.000 Seiten Dokumente erbeutet, und die US-Truppen drangen in bisher ungreifbare Gebiete ein. Allerdings wurden gravierende Fehler der US-Strategie sichtbar. Die Verbündeten waren zu schwach, um die "gesäu- berten" Gebiete zu halten , so daß die kommunistischen Truppen bald wieder in Kriegszone C zurückkehrten. So behielten die Kommunisten die Initiative, obwohl ihre Kriegsmaschinerie im Verhältnis 1:5 unterlagen war.

Drüben in den USA wurde der Krieg immer heftiger debattiert. Das Fernsehen brachte die Schreckensbilder des Krieges direkt in die Wohnzimmer und führte so zu Zweifeln an der amerikanischen Politik. Andererseits unterstützten viele den Krieg noch unverändert: Im Mai demonstrierten 70.000 Menschen in New York für den Krieg. Präsident Johnson stand also von zwei Seiten unter Druck: Die einen wollten reduzierte militärische Verpflichtungen, die anderen verlangten ein stärkeres En- gagement.

Auch Hanoi hatte Problem. Die schweren Verluste im Süden erforderten einen monatlichen Nachschub von 10.000 Mann, um die bisherige Präsenz zu halten. Die Kommunisten waren in früher sicher beherrschten Gebieten - wie dem Eisernen Drei- eck - in Abnutzungsgefechte verwickelt worden. Die US-Luftangriffe trafen wichtige Zentren wie Hanoi, Haiphong und MiG- Stützpunkte. Das Politbüro litt unter diesem Abnutzungskrieg, wenn auch die Bereitschaft zum Kampf ungebrochen blieb. Die Amerikaner waren immer noch da, und ein kommunistischer Sieg war nicht in Sicht.

Die Monate Juli bis September 1967 zählen zu den wichtigsten des Krieges. Vietnam verschlang Leben, Geld und Aus- rüstung in furchterregendem Umfang. Aber das amerikanische Militär hatte den Eindruck, daß man auf dem Weg zum Krieg war. Im Mekong-Delta öffneten die Flußpatrouillen der 9. Infanteriedivision ein Gebiet, das zuvor vom VC beherrscht wurde. Die Luftaufklärer sicherten den Einfluß der USA in ihrem Sektor. Zugleich schienen die Marines an der EMZ im konventio- nellen Kampf gegen die NVA erfolgreich zu sein. Im August ließ Präsident Johnson viele Beschränkungen zur Bombardie- rung Nordvietnams fallen. Im September wurde eine weitere wichtige Entscheidung als Anwort auf die Probleme des Krieges getroffen - der Einsatz von Hochtechnologie: Die McNamara Linie sollte entlang der EMZ gebaut werden. Damit war der Auf- bau einer Reihe von Feuerunterstützungspunkten verbunden. Aber das System hatte trotz US-Technologie grobe Fehler.

Die Pazifizierungsbemühungen der USA, wie die Operation Malheur, sahen eindrucksvoll aus, wenn man sie nach der Zahl abgeworfener Bomben und zerstörter Dörfer beurteilte. Aber das hatte noch nichts mit der Befriedigung der Bedürfnisse der bäuerlichen Bevölkerung, insbesondere der Landbesitzer, zu tun. Daher blieb das südvietnammesische Regime auch nach den Wahlen im August unbeliebt.

Im Sommer veröffentlichte Giap sein Buch "Großer Sieg - Große Aufgabe". Darin analysierte er die Lehren, die er aus dem Kampf mit den Amerikanern gezogen hatte. Er war überzeugt, eine erfolgreiche Strategie gefunden zu haben und konnte seine Kollegen zu einer größeren Offensive Anfang des kommenden Jahres 1968 überreden. Im Nachhinein kann man die Entscheidung vom Juli 1967 als den Wendepunkt des Krieges bezeichnen.

Es ist festzustellen, daß die letzten blutigen Monate des Jahres 1967 von der Vorbereitung der Tet-Offensive beherrscht wur- den. Dieser kommunistische Angriff sollte das Wohlbefinden der Amerikaner zerstören und die Wende im Krieg bringen. Noch sah man in Saigon und Washington alles viel rosiger. Operation Rolling Thunder hatte die Nordvietnamnesen schein- bar zu größeren Zugeständnissen gezwungen. Sie ließen am 29. Dezember erklären, nun wollten sie definitiv Fridensge- spräche führen, wenn das Bombardement im Norden eingestellt würde. Die USA waren vorsichtig optimistisch und bereite- ten den Boden für Gespräche vor, in die sie zum Mißfallen Saigons auch die NFL einbezogen.

Nach den Amtsantritten von Thieu und Ky am 31. Oktober, als Präsident und Vizepräsident, konnte man nun auch annehmen, daß Südvietnam eine freiheitlich legitimierte Regierung besaß. Wer lesen konnte, sah eine andere Entwicklung deutlich genug. General Giap sprach in einem Artikel vom 21. Oktober in einer sowjetischen Zeitung vom nahen Ende der Guerilla- phase und vom Beginn solcher Operationen, die "große Truppen umfassen, Truppen, die täglich anwachsen". Aus erbeu- teten Unterlagen ging hervor, daß die Gefechte Vorpspiel einer größeren Offensive waren. Am 8. Dezember sprach William Fulbright von einem "unmoralischen und unnötigen Krieg" und fügte hinzu: "Wir demonstrieren und Vietnam weit mehr als den Willen und die Fähigkeit Amerikas, eine bedrängte Regierung von Rebellen zu befreien, wir demonstrieren Amerikas Wunsch, seine B-52er, sein Napalm und all die Waffen zur Bekämpfung von Aufständen einzusetzen und ein kleines Land zu einem Leichenhaus zu machen."

   

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