VIETNAM 1965-75

  


KRIEG `68

Anfang 1968 schienen die USA in Vietnam noch die Oberhand zu haben. Aber die Tet-Offensive Ende Januar zerstörte die- se Illusion. Die US-Öffentlichkeit sah, wie ein schein angeschlagener Feind den Krieg gegen das Herz von Saigon, ja sogar gegen die US-Botschaft führte. Der Vietcong und die NVA griffen 36 der 44 Provinzhauptstädte an, 64 der 242 Distrikthaupt- städte und fünf der sechs autonomen Städte. Fernsehbilder berichteten in den US-Wohnungen vom Versagen der US-Ame- rikaner.

Die Belagerung von Khe Sanh war der Auftakt zur Tet-Offensive. In den Augen der Öffebtlichkeit nahm die Verteidigung dieses Stützpunktes Ausmaße von Alamo an. Zur Entlastung wurde eine größere Offensive, Operation Pegasus, gestartet. Doch die USA kam durch ihre Konzentration auf Khe Sanh den Kommunisten entgegen. Sie zogen Truppen aus solchen Gebieten ab, die der Feind schon als Schlachtfeld für die Tet-Offensive markiert hatte. Nach militärischen Begriffen war Tet ein Sieg der der US- und ARVN-Truppen. Die ARVN überlebte mehr oder weniger intakt, denn es gab keine Unterstützung des Volkes für den Vietcong im Süden. Der Vietcong erlitt große Verluste (wahrscheinlich 40.000). Politisch war Tet jedoch eine Katastrophe für die USA. Die mit der Niederschlagung der Offensive verbundenen Verwüstungen und die unsauberen Methoden des Saigoner Regimes schockierten die US-Bevölkerung und unterstrichen erneut die Frage nach der Moral dieses Krieges. Das berühmteste Opfer der Tet-Offensive war Johnson. Am 31. März gab er bekannt, daß er sich nicht zur Wiederwahl stellen werde. Da auch Westmoreland als MACV-Befehlshaber im Juni abgelöst wurde, schienen die die Poli- tiker und Militärs nicht zu wissen, wie es nun in Vietnam weitergehen sollte.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1968 verlagerte sich die Aufmerksamkeit vom Schlachtfeld zu den politischen Entwicklun- gen in Washington und den Pariser Gesprächen.

In Amerika war Wahljahr, Vietnam beherrschte die Wahlreden. Johnson Rückzug führte zur Nominierung von Vizepräsident Humbert Humphrey als Kandidat der Demokraten. Aber die Demokraten waren zutiefst zerstritten, und Humphrey machte einen gefährlichen Drahtseilakt: Er konnt Johnsons bisherige Politik weder ablehnen noch wirklich verteidigen. Sein Repu- blikanischer Rivale Richard Nixon versprach einerseits ein Ende des Krieges, weigerte sich aber, genaue Pläne zum Wie und Wann, weil er die Diplomaten nicht stören wollte.

Nach der Entlassung von drei US-Piloten aus der Gefangenschaft in Hanoi und 14 nordvietnamnesischen Seeleuten durch die Amerikaner stiegen die Hoffnungen, daß die Gespräche in Paris zu einem weiteren Austausch führen könnten. Die fest- gefahrenen Gespräche wurden wiederbelebt, nachdem die Amerikaner das Bombardement des Nordens einstellten und Hanoi zusagte, die EMZ zu respektieren und die Beschießung von Städten im Süden einzustellen. Die Gesprächsrunde in Paris wurde um die Regierung in Saigon und die NLF erweitert. Davon versprach sich Humphrey einen weiteren Vorteil. Aber schon einen Tag nach Einstellung des Bombardements weigerte sich Saigon, an den Gesprächen teilzunehmen.

Die Kommunisten konnten auf 1968 zufrieden zurückblicken. Sie hatten schwere Verluste hinnehmen müssen, aber einen US- Präsidenten gestürzt, in der Bevölkerung Zweifel an diesem Krieg gesät, die amerikanische Gesellschaft gespalten und ein befristetes Ende des Bombardements ihrer Städte erreicht.

KRIEG `69

Nixon kam mit dem Versprechen an die Macht, eine andere Vietnam-Politik betreiben zu wollen. Zwar ähnelte seine Rhetorik der Johnsons, aber seine Politik wich ab. Er führte das Konzept der "Vietnamisierung". Sie bedeutete eine neue und verbes- serte Ausrüstung der ARVN, damit sie den Kommunisten widerstehen und den USA einen allmählichen Rückzug erlauben konnte.

Die Vietnamsierung stellte die Tauben nicht zufrieden, aber das war auch nicht beabsichtigt. Sie zielte auf die "schweigende Mehrheit", das konservative Mittelamerika, aus der Nixon die meisten Wähler gewonnen hatte. Nixon wollte klarmachen, daß es ihm um die Verringerung der US-Verluste ging, aber er nicht generell gegen den Krieg war. Mit der Erklärung der "Nixon- Doktrin", daß es zukünftig kein weiteres Vietnam mehr geben würde, wurde eine grundlegende Änderung der Außenpolitik eingeleitet.

Das Jahr begann mit der Operation Rice Farmer, einer gemeinsamen US/ARVN-Operation, und der Stand der US-Truppen sank im Laufe des Jahres 1969. Ende November wurde die 3. Marine Division abgezogen, wenige Wochen später die 3. Brigade der 82. Luftlandedivision.

Die Kämpfe erreichten 1969 nicht die Intensität wie zur Tet-Offensive im Jahre 1968. Doch die VC-Frühjahrsoffensive zeigte die Entschlossenheit der Kommunisten, sich im Kampf den US-Truppen zu nähern. Sie starteten auch ihre Herbstoffensive trotz des Todes von Ho Chi Minh im September. Und auch die Schlacht um die Hamburger Höhe im Mai erinnert daran, daß noch immer US-Soldaten sterben mußten. Die Aufdeckung des My Lai-Massakers unterstrich noch die einmal die schlimme Lage der vietnamnesischen Zivilbevölkerung. Zu Hause spaltete der Krieg die US-Gesellschaft weiterhin.


    

Krieg 1969

Krieg 1968

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