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PHYSIK

Faszination Fliegen

  1. Einleitung
  2. Fehlvorstellungen zum Auftrieb
  3. Die drei Erklärungstypen
  4. Fachliche Analyse und Zusammenspiel der drei Erklärungstypen
  5. Übergang von zwei nach drei Dimensionen
  6. Abschließende Bewertung
  7. Bilder und Skizzen

Optik

 

Faszination Fliegen

Wie erklärt man das Fliegen in der Schule?

Fachliche und didaktische Analysen zu einer schwierigen Frage

Einleitung

„Der Traum vom Fliegen“ – so lautet der Titel eines Films, der derzeit gerade im Münchner I-Max-Kino gezeigt wird. Dieses geflügelte Wort vom "Traum vom Fliegen" steht für eine Reihe von verschiedenen Facetten, die die Faszination am Thema Fliegen ausmachen: 

- die Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit,

- die Ehrfurcht vor der Eleganz und Perfektion des Vogelflugs,

- das Mitgefühl für die vielen Gescheiterten in der Geschichte des Fliegens und

- natürlich auch die Begeisterung für die Technik, die die Verwirklichung des uralten

Menschheitstraums innerhalb von kurzer Zeit zur Alltäglichkeit werden ließ.

Das Interesse am Thema Fliegen in der Öffentlichkeit ist ausgesprochen groß. Wie groß, das kann man u.a. daran ablesen, dass populärwissenschaftliche Zeitschriften wie "PM" oder "illustrierte Wissenschaft" kaum ein Heft veröffentlichen, in dem kein Beitrag zum Fliegen erscheint. Sicherlich ist es keineswegs immer die Physik des Fliegens, die das Interesse auslöst, dennoch enthalten selbst Darstellungen in Kinderbüchern in der Regel eine Antwort auf die Frage, warum ein Flugzeug fliegt. Im Vergleich dazu ist es vielleicht verwunderlich, dass sich der Physikunterricht aus dem Thema Fliegen fast völlig heraushält. Eine Ursache dafür ist vermutlich die Unsicherheit auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer, welche Antwort man eigentlich auf die Frage geben kann, warum ein Flugzeug fliegt. Und darüber besteht ja auch unter Didaktikern keineswegs Einigkeit. Die teilweise Heftigkeit, mit der die didaktische Diskussion zum Fliegen geführt wird, ist ein Hinweis darauf, dass die Sachlage wirklich nicht ganz einfach zu überblicken ist. Wichtig wäre, sowohl für die Frage, wie man das Fliegen in der Schule erklärt, als auch für ein Verständnis der didaktischen Diskussion, dass man die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Erklärungen besser durchschaut, und genau das ist ein Anliegen meines Vortrages.

Beginnen möchte ich mit der Diskussion einiger Fehlvorstellungen zum Auftrieb.

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Fehlvorstellungen zum Auftrieb

Auftrieb entsteht durch Aufprall der Luft (Teilchen) auf die Unterseite

Die vielleicht naheliegendste Vorstellung, wie ein Flugzeug Auftrieb erzeugt, ist die, dass die Luft auf die Tragflächenunterseite aufprallt und so den Flügel hochdrückt. Dass diese Idee schon von Newton vertreten wurde, kann vielleicht als Entschuldigung dafür dienen, dass man diese Erklärung auch heute noch in Schulbüchern findet. So heißt es zum Beispiel in einem Oberstufenschulbuch: 

An ein schräg in den Luftstrom gestelltes Brett stoßen die Luftteilchen an der Unterseite an und übertragen bei jeder Impulsänderung einen Kraftstoß auf das Brett. Dies erzeugt den dynamischen Auftrieb. Inzwischen weiß man, dass diese Erklärung falsch ist. Man kann dafür eine ganze Reihe von Argumenten finden. Insbesondere strömt die Luft einfach nicht so, wie es dieses Bild darstellt. Schlagendstes Gegenargument gegen die Vorstellung der aufprallenden Luftteilchen ist vielleicht, dass der Beitrag der Flügeloberseite dabei völlig unberücksichtigt bleibt, der bekanntlich sogar noch größer ist als der der Unterseite. Dieses Beispiel ist bereits ein erster Hinweis darauf, dass man mit einfachen mechanischen Modellen bei der Erklärung des Fliegens nicht weiterkommt. 

Auftrieb entsteht durch Verdichtung und Verdünnung der Luft

Eine andere intuitive Erklärung des Auftriebs ist folgende: Wenn die Tragfläche sich durch die Luft bewegt, wird an der Unterseite die Luft zusammengedrückt, während an der Oberseite ein Luftloch oder eine Zone verdünnter Luft entsteht. Je nach Erklärung wird entweder das Luftpolster oder das Luftloch zur Erklärung des Auftriebs hergenommen. Auch in dem eingangs erwähnten Film wird das Fliegen so erklärt, dass ein einseitiges Vakuum an der Oberseite entstehe, das das Flugzeug förmlich nach oben sauge.

Gegenargument gegen diese Erklärung ist, dass die Dichteunterschiede in der Luft für einen weiten Geschwindigkeitsbereich tatsächlich vernachlässigbar klein sind. Selbst bei Fluggeschwindigkeiten von 500 km/h beträgt der Fehler, den man begeht, wenn man die Luft inkompressibel betrachtet, nicht mehr als 10%. Unterschiedliche Luftdichten zum Zentrum der Erklärung des Fliegens zu machen, ist deshalb fachlich nicht vertretbar.

In dieser Tabelle habe ich einmal typische Daten für verschiedenen Flugzeugtypen zusammengestellt. Daran sehen Sie, dass für die großen Verkehrsflugzeuge die Inkompressibilitätsannahme nicht mehr vernünftig ist, aber selbst für Flugzeuge wie die Ju52 kann man die Dichteunterschiede vernachlässigen. Luft als inkompressibel zu betrachten, scheint auf den ersten Blick allen sonstigen Erfahrungen mit Gasen zu widersprechen. Die Inkompressibilitätsannahme wird jedoch verständlich, wenn man sich die Größenordnung der Druckunterschiede an der Tragfläche vergegenwärtigt. In der letzten Spalte sind deshalb die durchschnittlichen Kräfte pro Quadratmeter Tragfläche angegeben. Wie Sie sehen,

liegen die Werte in der Größenordnung von 1 kN/m2. Das entspricht einem Prozent des Luftdrucks bzw. dem Druck einer 10cm hohen Wassersäule. Die Drücke sind also verglichen mit dem Umgebungsluftdruck tatsächlich sehr klein, so dass auch die Dichteänderungen sehr klein sind.

c) Profilform

Die dritte und häufigste Erklärungsvariante zum Auftrieb ist die, dass die Wölbung des Profils den

Auftrieb erzeugt. Sehr häufig wird argumentiert, die unterschiedliche Länge von Ober- und Unterseite des Profils sei für den Auftrieb verantwortlich. Ein Beispiel dafür ist eine Darstellung in der Zeitschrift Löwenzahn, die im letzten Monat neu auf den Markt gekommen ist und sich gleich im ersten Heft dem Thema Fliegen als Hauptthema widmet. Dort heißt es :

Der Flügel teilt die Luft in zwei Hälften. Durch die Wölbung im Flügel hat die Luft oben einen viel längeren Weg. Um trotzdem gleichzeitig wie die untere Luft am Ende des Flügels anzukommen, muss sie sich strecken. Die Luft an der Oberseite des Flügels wird dünner, der Luftdruck nimmt ab. Und der zieht das Flugzeug wie ein Staubsauger nach oben. Den Effekt mit der Luft und dem gebogenen Flügel nennt man Auftrieb. Tatsächlich ist die Argumentation über die unterschiedlichen Weglängen aber falsch, denn die Luft trifft sich gar nicht an der Hinterkante, wie man in Experimenten nachweisen kann. Dieses Bild einer

Simulation zeigt das besonders deutlich. Hier wurde die Luft in bestimmten Zeitabschnitten farbig eingefärbt, um die zurückgelegten Strecken vergleichen zu können. Man sieht, die Luft an der Oberseite ist noch deutlich schneller, als man es aufgrund des Weglängenunterschieds vermuten würde. Dieses Weglängenargument findet man übrigens nicht nur bei Peter Lustig, sondern z.B. auch im Bergmann Schäfer in der vorletzten Ausgabe von 1990. In der neuen Ausgabe ist dieser Fehler korrigiert.

Ein weiteres Gegenargument gegen die Vorstellung, das Profil mache den Auftrieb, ist die Tatsache,

dass natürlich auch ein flaches Brett Auftrieb erzeugt. Die Wölbung des Profils verstärkt zwar den Auftrieb, aber sie ist nicht notwendig, um Auftrieb zu bekommen. Nach der Diskussion dieser Fehlvorstellungen zum Auftrieb möchte ich nun zu den erstzunehmenderen Kandidaten für eine Erklärung des Fliegens in der Schule übergehen.

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Die drei Erklärungstypen

Die drei wesentlichen Erklärungstypen zur Physik des Fliegens, die man in der Literatur findet, sind die Druckerklärung, die Rückstoßerklärung und der Vergleich des Auftriebs mit dem Magnuseffekt. Die nachfolgenden Folien zeigen jeweils typische Abbildungen zu den Erklärungen zum Großteil aus populärwissenschaftlichen Büchern oder aus Schulbüchern. Bei der Druckerklärung wird das Hauptaugenmerk auf die Druckunterschiede an der Tragflächenober- und Unterseite gelenkt. Es wird gesagt, dass der Tragflügel die Strömung so verändert, dass an der Oberseite ein Unterdruck und an der Unterseite ein Überdruck entsteht. Diese Druckdifferenz hält das Flugzeug oben. Oft werden über die Bernoulli-Gleichung die Druckunterschiede wiederum auf Unterschiede in der Strömungsgeschwindigkeit zurückgeführt. Dieses Erklärungsmuster findet man bevorzugt in populärwissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften oder in Kinderbüchern. 

Das zweite Erklärungsmuster knüpft an das Wechselwirkungsgesetz an. Herausgestellt wird, dass die Tragfläche Luft nach unten umlenkt. Es wird argumentiert, dass die Tragfläche zum Umlenken eine Kraft auf die Luft ausübt. Nach dem Wechselwirkungsgesetz muss dann die Luft auf die Tragfläche eine entgegengesetzt gleich große Kraft ausüben, die Auftriebskraft. Dieses Erklärungsmuster wird vor allem von Weltner propagiert und hat inzwischen Einzug in eine Reihe von Schulbüchern gefunden. Ein drittes Erklärungsmuster vergleicht den Auftrieb mit dem Magnuseffekt. Dabei wird die Ähnlichkeit mit einem rotierenden Zylinder betont, der durch Rotation eine Kraft quer zur Bewegungsrichtung erfährt. Dies kennen Sie vermutlich alle vom Top-Spin beim Tennis oder der Bananenflanke beim Fußball. Ich möchte dies aber auch in einem kleinen Versuch kurz demonstrieren:

VERSUCH (Faden rechts halten)

Die Kraft auf den Zylinder quer zur Fallrichtung kommt durch die Rotation des Zylinders zustande. Durch die Drehung wird die Luft in unmittelbarer Umgebung des Zylinders mitgeschleppt. Zusammen mit der Geschwindigkeit des Fahrtwindes ergibt sich deshalb an der einen Seite des Zylinders eine höhere Strömungsgeschwindigkeit als an der anderen. Unterschiedliche Geschwindigkeit bedeutet unterschiedlicher Druck rechts und links von der Röhre. Dadurch gibt es eine Kraft quer zur Bewegungsrichtung. Wenn man dieses Bild um 90 Grad dreht, erhält man eine Kraft nach oben, was dem Bild auf der nachfolgenden Folie entspricht. Für das Fliegen eines Flugzeugs wird jetzt gesagt, dass auch hier zur normalen Umströmung eine Kreisströmung hinzukommt, und dadurch der Auftrieb entsteht. Ein solches Erklärungsmuster findet sich z.B. in dem neuen Oberstufenschulbuch von Metzler und in vielen Lehrbüchern der Technischen Strömungslehre. Geklärt werden muss natürlich noch, woher die Kreisströmung um die Tragfläche kommt, denn anders als beim Zylinder rotiert bei der Tragfläche nichts. Dies hängt mit dem sogenannten Anfahrwirbel zusammen, der beim Anfahren des Flugzeugs entsteht. Ich komm darauf später noch ausführlich zu sprechen.

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 Fachliche Analyse des Zusammenspiels der drei Erklärungen

Was sagt nun die Strömungsmechanik eigentlich dazu, warum ein Flugzeug fliegt? Aus der Sicht der Strömungsmechanik ist tatsächlich die Zirkulation der Schlüssel zur Beschreibung des Auftriebs. In einer ersten guten Näherung kann man den Auftrieb zunächst für eine zweidimensionale Tragfläche in einem Fluid untersuchen, das man als inkompressibel und reibungsfrei annimmt. Eine zweidimensionale Tragfläche kann man sich vorstellen als eine unendlich lange Tragfläche oder auch als eine Tragfläche, bei der man den Einfluß der Flügelenden ausschaltet. z.B. indem man seitliche Platten anbringt. Diese Platten sorgen dafür, dass die Strömung nur parallel zu den Platten verläuft. Die dritte Dimension quer dazu ist also ausgeschaltet.

Was die Zirkulation bedeutet, kann man am ehesten verstehen, wenn man sich ein Strömungsbild mit und ohne Zirkulation anschaut. Das Strömungsbild einer solchen 2-dimensionalen Tragfläche ohne Zirkulation sähe etwa so aus. Würde die Luft so strömen, wäre der Auftrieb null. Real sieht die Strömung eher so aus. Um was sich die beiden Strömungsbilder unterscheiden, also die Differenz der beiden Strömungsbilder, das ist gerade die Zirkulationsströmung. In dieser Zirkulationsströmung ist sämtliche Auftriebsinformation enthalten. Das macht sie so interessant.

Dasgleiche gilt auch für einen rotierenden Zylinder. Auch hier steckt sämtliche Auftriebsinformation in  der Kreisströmung. Beim Tragflügel und beim rotierenden Zylinder berechnet sich der Auftrieb nach derselben Gleichung, nämlich der Kutta-Joukowski-Formel: F/l = G r u, wobei u die ungestörte Anströmgeschwindigkeit bezeichnet und G die Stärke der Zirkulation.

Damit haben wir auf der Ebene der Phänomene nun eine erste Verknüpfung der drei

Erklärungsmuster gefunden. Denn beschreibt man das Strömungsbild einer Tragfläche mit Hilfe der Zirkulationsströmung, so beinhaltet das automatisch auch, dass die Strömung oberhalb der Tragfläche schneller und unterhalb der Tragfläche langsamer wird, und dass die Luft hinter der Tragfläche nach unten und vor der Tragfläche nach oben umgelenkt wird. Alle drei Erklärungen hängen also auf der Ebene der Phänomene über die Zirkulation zusammen. Auf der Ebene der Theorie sind die drei Erklärungen über den Impulssatz miteinander verknüpft. Der Impulssatz besagt: Wenn eine stationäre Strömung vorliegt, also wenn die Strömung sich so eingestellt hat, dass sich das Strömungsbild nicht mehr verändert, kann man die Kraft auf einen Körper in der Strömung bestimmen, indem man ein beliebiges Kontrollvolumen um den Körper legt, und ein- und ausströmenden Impuls und den Druck an den Grenzflächen des Kontrollvolumens auswertet. Im allgemeinen muss man also sowohl den Druck als auch die Richtung und Geschwindigkeit der Strömung um die Tragfläche herum betrachten. Egal wie man das Kontrollvolumen legt, immer Kommt die Auftriebskraft heraus. Wählt man z.B. ein quadratisches Kontrollvolumen beliebiger Größe, dann liefert der Druck- und der Impulsanteil jeweils die Hälfte des Auftriebs. Wählt man das Kontrollvolumen so, dass es direkt um die Tragfläche herum liegt, ist der Impulsanteil null und der Druckanteil macht den gesamten Auftrieb aus. Ein anderer Grenzfall ist ein Kontrollvolumen, das symmetrisch um die Tragfläche herumliegt und oben und unten ins Unendliche reicht. Jetzt kann man die Druckanteile vernachlässigen, und nur der Impulsanteil oder die Luftumlenkung vorne und hinten bestimmt den Auftrieb. Die Druckerklärung und die Rückstoßerklärung sind also so gesehen einfach zwei verschiedene Spezialfälle des Impulssatzes. Und natürlich gilt: Wendet man den Impulssatz auf eine zweidimensionale Tragfläche an und rechnet die Impulsänderungen im einzelnen aus, dann kommt genau der Auftrieb nach der Kutta-Joukowski-Formel dabei heraus.

Bleibt jetzt nur noch zu klären, wodurch die Zirkulationsströmung eigentlich entsteht. Dafür sind die Prozesse beim Anfahren des Flugzeugs von Bedeutung und dabei spielt auch die Reibung eine wichtige Rolle mit.

Wenn der Tragflügel sich zu bewegen beginnt, dann strömt die Luft im ersten Moment so, wie es

einer zirkulationsfreien Umströmung entspricht. D.h. die Luft strömt um die Hinterkante herum zum oberen Staupunkt. Dies kann man für kleine Strömungsgeschwindigkeiten experimentell auch zeigen. Um diesem Strömungsbild zu folgen, muss die Luft an der Hinterkante sehr schnell werden und dann im Staupunkt wieder auf null abgebremst werden. Die Luft in unmittelbarer Nähe vom Tragflügel wird aber durch Reibung mit der Oberfläche zurückgehalten. Diese verzögerte Luft kann den großen Beschleunigungen irgendwann nicht mehr folgen. Sie löst sich deshalb an der Hinterkante vom Flügel ab. Die weiter außen liegende Luftschicht ist durch Reibung weniger abgebremst. Sie folgt deshalb noch der Bewegung um die Kante herum. Dadurch kommt es zu einem Aufrollvorgang und der Entstehung des Anfahrwirbels. Ein weiterer wichtiger Punkt ist nun, dass kein Wirbel ohne Gegenwirbel entsteht. Deshalb bildet sich ein zweiter Wirbel um die Tragfläche herum aus. Und dieser Wirbel liefert gerade die für den Auftrieb verantwortliche Zirkulationsströmung. 

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Übergang von zwei nach drei Dimensionen

Soweit so gut. Die Frage, die sich jetzt aber stellt ist, was passiert, wenn man sich keine zweidimensionale, sondern eine echte dreidimensionale Tragfläche anschaut. Und da wird es leider etwas komplizierter. Was da passiert, kann man folgendermaßen verstehen: Bei einer zweidimensionalen Tragfläche gibt es Unterdruck oben und Überdruck unten und keine Möglichkeit des Ausgleichs. Nimmt man aber die seitlichen Platten weg, dann müssen sich die Druckgebiete zum Rand hin ausgleichen. Die Luft an der Unterseite strömt von der Mitte nach außen, die an der Oberseite nach innen. Diese unterschiedlichen Strömungsrichtungen kommen an der Hinterkante wieder zusammen und lassen dort sehr viele kleine Wirbel entstehen. An der Hinterkante bildet sich deshalb über die ganze Flugzeugspannbreite eine Wirbelschleppe aus. Diese Wirbelschleppe rollt sich in einiger Entfernung hinter der Tragfläche zu zwei starken Randwirbeln auf. Bei reibungsfreier Strömung würden die Randwirbel zusammen mit dem Wirbel um die Tragfläche und dem Anfahrwirbel am Startplatz des Flugzeug einen geschlossenen Ring bilden. Tatsächlich lösen sich die Randwirbel aufgrund von Reibung irgendwann auf. Bei Transportflugzeugen sollen die Randwirbel allerdings durchaus eine Länge von 10 km erreichen. Sowohl die Randwirbel als auch die Anfahrwirbel spielen für den Flugverkehr eine große Rolle. Die Randwirbel lassen sich übrigens experimentell sehr leicht demonstrieren, wenn man eine Tragfläche in einen Gebläsestrahl stellt und mit einer Fadensonde die Luftströmung untersucht. Eine andere schöne Demonstration der Randwirbel sehen Sie hier. Dieses Flugzeug befindet sich kurz vor der Landung und hat gerade diesen kleinen Zaun hier im Vordergrund überflogen. Am Zaun stehen Behälter, aus denen roter Rauch entweicht. Beim Überfliegen wurde der Rauch von den Randwirbeln mitgeschleppt und in dieser Form herumgeschleudert. 

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Zur Rückstoßerklärung

Ich möchte nun noch etwas genauer darauf eingehen, welche Konsequenzen diese Wirbelschleppe bzw. die Randwirbel eigentlich für die Erklärung des Fliegens haben. Natürlich gilt der Impulssatz für den dreidimensionalen Fall in gleicher Weise wie für den zweidimensionalen Fall, so dass sich an der Druck- und der Rückstoßerklärung grundsätzlich wenig ändert. Bei der Anwendung der Rückstoßerklärung ist jetzt allerdings zu beachten, dass nun nicht nur durch den tragenden Wirbel, sondern auch durch die Wirbelschleppe Luft nach unten beschleunigt wird. Wie die Luftumlenkung in der Nähe der Tragfläche tatsächlich aussieht, habe ich für einen einfachen Fall einmal genau ausgerechnet. Auf dieser Folie sind nun die Abwärtskomponenten des Strömungsgeschwindigkeit hinter der Tragfläche dargestellt. Der Abstand zwischen den Geschwindigkeitsvektoren entspricht dabei jeweils einer Flügeltiefe. Im zweidimensionalen Fall würde diese Abwindgeschwindigkeit relativ schnell auf null zurückgehen, im dreidimensionalen Fall dagegen pendelt sie sich auf einen bleibenden Wert ein. Schlüsselt man die Abwärtsgeschwindigkeiten in die Anteile auf, die vom tragenden Wirbel und von der Wirbelschleppe geliefert werden, dann ergibt sich dieses Bild. Man sieht, schon in geringer Entfernung von der Tragfläche dominiert die Wirbelschleppe den Abwind hinter der Tragfläche. Und genau diese Abwärtsgeschwindigkeit weit hinter der Tragfläche ist auch bei einem etwas anderen Verständnis der Rückstoßerklärung wichtig.

Bei den bisherigen Betrachtungen zur Rückstoßerklärung sind wir davon ausgegangen, dass man sich Geschwindigkeitsänderungen in der Umgebung der Tragfläche anschaut. Man kann mit dieser Information auch tatsächlich den Auftrieb herausbekommen, vorausgesetzt allerdings, dass man für die Anwendung des Impulssatzes ein Kontrollvolumen wählt, bei dem der Druckanteil herausfällt, d.h. man muss wieder sehr hohe Wände wählen und die Geschwindigkeitsänderungen auch weit über und unter der Tragfläche einbeziehen.

Oft wird die Rückstoßerklärung aber noch etwas anders aufgefaßt, indem man nämlich die Änderungen im gesamten Luftvolumen betrachtet. Herrmann hat dies neulich in einem Beitrag in der Zeitschrift „Physik in der Schule“ so dargestellt. ”Das Flugzeug muss Luft nach unten in Bewegung setzen, genauso wie der Vogel, das Insekt, der Hubschrauber, die Frisbee-Scheibe und der Bumerang, ja sogar wie der Fallschirm, denn es muss den Impuls loswerden, den es ständig mittels der Schwerkraft von der Erde bekommt. Die nach unten strömende Luft nimmt diesen Impuls mit, und gibt ihn schließlich an die Erde zurück.” Es geht hier also nicht darum, wie die Luft an der Tragfläche nun genau umgelenkt wird, sondern darum, dass insgesamt gesehen Luft nach unten beschleunigt werden muss. dass das so ist, läßt sich mit den vorherigen Ausführungen gut verstehen. Bei jedem geflogenen Meter muss ja die Wirbelschleppe um einen weiteren Meter verlängert werden. Dafür muss eine bestimmte Menge Luft zusätzlich nach unten beschleunigt werden. Man kann nun zeigen, dass sich die von der Wirbelschleppe beeinflußte Luftmenge beschreiben läßt, indem man sich einen Schlauch vorstellt, der sich mit konstanter Geschwindigkeit nach unten bewegt, während der Rest der Luft unbeeinflußt bleibt. Der Durchmesser dieses Schlauches ist genau die Spannweite des Flugzeugs. Die

Geschwindigkeit, mit der sich dieser Schlauch nach unten bewegt, ist genau die Geschwindigkeit, die sich aus der vorherigen Folie als Grenzgeschwindigkeit ergibt. In diesem Bild entspricht dann der Auftrieb genau der Impulsänderung bei der Verlängerung dieses Schlauchs.

Zusammengefaßt bedeutet das: Es wird tatsächlich Luft in dem Maße nach unten beschleunigt, dass der Auftrieb als reactio zur Umlenkung darstellbar ist. Entscheidend ist aber, dass diese Umlenkung sich nicht auf einen Bereich um die Tragfläche herum lokalisieren läßt. Die Wege, auf denen die Luft nach unten beschleunigt wird, sind keineswegs trivial und selbstverständlich. Der Abwind im dreidimensionalen Fall ist in jedem Fall etwas sehr viel Komplexeres, als ein schlichtes Anpassen des Luftstroms an die Profilform, wie dies in den einfachen Rückstoßerklärungen suggeriert wird. Und ein dritter Punkt: Es ist nicht möglich, das Ausmaß der Umlenkung aus der Abwindgescheindigkeit an der Tragfläche abzulesen. 

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Abschließende Bewertung

Soweit zur fachliche Analyse des Fliegens. Und jetzt zurück zu der didaktischen Frage: Wie erklärt man denn nun das Fliegen in der Schule?

Dazu möchte ich die eingangs skizzierten drei Erklärungsmuster nochmals der Reihe nach durchgehen und diesmal unter stärker didaktischen Gesichtspunkten bewerten. Zur Druck-Erklärung ist zu sagen, dass sie von allen dreien eigentlich die unverfänglichste ist. Sie orientiert sich an den unmittelbar beobachtbaren Druckphänomenen, die nicht falsch zu interpretieren sind. Solange man das Weglängenargument vermeidet, ist gegen diese Erklärung auch fachlich nichts einzuwenden. Allerdings erklärt sie relativ wenig. Wenn man nämlich vom Stromlinienbild als gegeben ausgeht, dann steckt in dem Stromlinienbild schon alle Auftriebsinformation drin. Um zu klären, warum ein Flugzeug fliegt, wäre also eigentlich die Frage zu beantworten, warum sich das Stromlinienbild so einstellt, wie es sich einstellt, also warum die Strömung an der Oberseite schneller ist als an der Unterseite, und das ist letztlich nur über die Zirkulation möglich. Für die Druck-Erklärung spricht außerdem, dass man sie gut im Kontext der Bernoulli-Gleichung diskutieren kann. Die Bernoulli-Gleichung tritt auch in vielen anderen Bereichen immer wieder auf, so dass es sich lohnen würde, sie qualitativ zu diskutieren. Es gibt zudem eine Reihe von einfachen Experimenten, die man dazu durchführen kann. Dies ist ein Grund, warum auch Kinderbücher mit der Bernoulli-Gleichung argumentieren. Nicht selten wird da fachlich problematisch argumentiert, aber ich bin zuversichtlich, dass man diese Schwierigkeiten in den Griff bekommen könnte. Die Rückstoßerklärung hat im Vergleich zur Druck-Erklärung den Vorteil, dass man mit ihr mehr anschaulich erklären kann. Man kann z.B. bestimmte Dinge vorhersagen, wie die Funktion von Flügelklappen oder die Abhängigkeit des Auftriebs vom Anstellwinkel usw. Sie ist aber aus fachlicher Sicht nicht ganz unproblematisch. Insbesondere darf man sich nicht vorstellen, die Umlenkung finde in einem begrenzten Bereich um die Tragfläche herum statt. Wichtiger Kritikpunkt an der Rückstoßerklärung ist außerdem, dass man Schülerinnen und Schülern suggeriert, Strömungen ließen sich mit den Gesetzen der Punktmechanik beschreiben. Das ist aber gerade nicht der Fall. Strömungsphänomene lassen sich nicht im einfachen Teilchenmodell verstehen, sondern nur in einer eigenen Strömungsmechanik. Dabei spielt der Druckbegriff eine entscheidende Rolle aber natürlich auch die Wirbel. Beides fällt aus der Rückstoßerklärung heraus. Bleibt schließlich noch die Erklärung des Auftriebs durch Vergleich mit dem Magnuseffekt. Auch wenn dieses Erklärungsmuster den wichtigen Begriff der Zirkulation sehr stark in den Mittelpunkt stellt, so hat dieses Erklärungsmuster für den Anfänger doch wenig Überzeugungskraft. Besonders schwer zu verstehen ist, warum eigentlich der Tragflügel mit einem rotierende Zylinder vergleichbar sein soll. Weder rotiert ein Tragflügel noch fliegt ein Zylinder. Um die Zirkulationserklärung akzeptieren zu können, muss in jedem Fall geklärt werden, warum sich überhaupt eine Zirkulation ausbildet. Erstaunlicherweise unterbleibt dies in vielen Darstellungen. Nach dieser eher ernüchternden Bilanz, möchte ich Ihnen noch kurz skizzieren, wie ich mir eine Erklärung des Fliegens in der Schule vorstellen könnte. 

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Was nun?

Ausgangspunkt sollte zunächst die Druck-Erklärung in Verbindung mit der Bernoulli-Gleichung sein. Das Stromlinienbild wird dabei wie üblich als selbstverständlich voraussetzt und der Auftrieb als Druckdifferenz interpretiert. Im nächsten Schritt wird dann diese Selbstverständlichkeit des Stromlinienbildes aufgebrochen. Dafür eignen sich Stromlinienbilder wie diese hier, die man mit relativ einfachen Mitteln im Unterricht selbst herstellen kann. Das Besondere bei diesen Strömungen ist, dass die Strömung an der Hinterkante wieder hochläuft, also ganz anders als man es naiv erwarten würde. Diese Stromlinienbilder dienen später als Beispiele für Strömungen ohne Zirkulation. Wenn Luft so strömen würde, würde kein Auftrieb erzeugt werden. Das kann man anschaulich am Beispiel dieser schräg angestellten Platte gut diskutieren. Wenn oben links eine Kraft angreift, dann muss auch unten rechts eine Kraft angreifen, denn das Bild ist völlig symmetrisch. Bei solcher Umströmung würde sich diese Platte also drehen, aber der Auftrieb wäre null. Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass sich auch bei einem Flugzeug im ersten Moment eine Strömung einstellt, wie es das Velourpapier zeigt. Auch hier liegt in ersten Moment kein Auftrieb vor. Ein anderes Beispiel, mit dem man die Selbstverständlichkeit des Strömungsbildes aufbrechen kann, ist der Vergleich des Strömungsverhaltens von Wasser und Glyzerin. In Wasser zeigt sich ein ähnliches Strömungsverhalten wie in Luft, bei Glyzerin ist es ähnlich wie beim Velourpapier. Aus diesen Versuchen kann man ableiten: Es ist keineswegs selbstverständlich, dass bei der Umströmung eines angestellten Profils oder einer angestellten Platte immer Auftrieb entsteht. Welches Strömungsbild sich einstellt und ob Auftrieb entsteht oder nicht, hängt einerseits von der Strömungsgeschwindigkeit ab, andererseits aber auch von einer Eigenschaft des Fluids, genauer der Zähigkeit des Fluids. Der nächste Schritt führt dann auf die Idee der Zirkulationsströmung, um Strömungsbilder mit und ohne Auftrieb zu unterscheiden. Ob man den Schülerinnen und Schülern die Idee der  Zirkulationsströmung mitteilt oder versucht, sie aus dem Vergleich der Strömungsbilder herauszulesen, ist Geschmacksache. Mit ein bißchen gutem Willen kann man z.B. folgende Unterschiede als Hinweise auf die Zirkulation deuten: Es muss zum Strömungsbild der langsamen Umströmung eine Strömung hinzukommen, die an der Hinterkante nach unten gerichtet ist, an der Oberseite die Strömung beschleunigt und an der Unterseite abbremst. Diese Zirkulationsströmung ist letztlich für den Auftrieb verantwortlich.

Experimentell lässt sich die Zirkulation übrigens sehr leicht mit folgendem Versuch nachweisen.

(Folie) Dieser Versuch vermittelt einen guten Eindruck auch vom Drehsinn der Zirkulation. Dieser Versuch zeigt übrigens auch, dass die Zirkulation keineswegs nur eine theoretische Größe ist, sondern die Zirkulation lässt sich unmittelbar im Experiment nachweisen. Erklärt werden kann die Zirkulation wie bereits gesagt über die Entstehung des Anfahrwirbels und die Tatsache, dass zu jedem Wirbel immer ein Gegenwirbel existiert. Den Anfahrwirbel kann man wiederum im Experiment relativ einfach zeigen.

Ich gebe zu, dass dies ein Weg ist, der nicht für alle Schulklassen und schon gar nicht für alle Schulstufen geeignet ist. Das soll er auch gar nicht. Um Missverständnissen vorzubeugen: In keinem Fall möchte ich den Eindruck erwecken, das Thema Fliegen wäre nur dann sinnvoll zu behandeln, wenn man über die Druck-Erklärung hinausgeht. Das Thema Fliegen bietet für die Schule eine solche Vielfalt an interessanten Aspekten, von denen die Erklärung des Auftriebs nur einer ist. Viele andere Aspekte sind ebenfalls für den Physikunterricht lohnenswert und werden dem „Traum vom Fliegen“ vielleicht noch besser gerecht. Deshalb sollte es dem Lehrer oder der Lehrerin überlassen bleiben, wo die Schwerpunkte gesetzt werden. Mein Vorschlag sollte lediglich aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, wenn man das Thema in fachphysikalischer Hinsicht weiter vertiefen möchte.

 Wodzinski, Rita Didaktik der Physik, LMU München

Bilder

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