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Tag im November
von Elinor

Margaret legte ihr Betriebswirtschaftsbuch auf ihre Schulbank. Es war lustig eingebunden, mit Werbung aus einem amerikanischen Teen Magazin, dass sie sich manchmal kaufte, wenn sie gerade genug Geld hatte.
"Sei so lieb und sag dem Lehrer doch bitte wenn er kommt, dass ich bei der Schulärztin bin" bat sie Claudia, die gleich neben der ihren saß. "Warum denn?" fragte das klein gewachsene Mädchen mit den streng zurückgekämmten und mit einem Gummi zusammengefassten Haaren. "Ach, ich habe mal wieder Kopfschmerzen und heute Nachmittag bei Wirtschaftsinformatik zwei Stunden vor einem flimmernden Bildschirm zu sitzen wäre da nicht so hilfreich. Würdest du es dem Lehrer sagen, damit er mich nicht als fehlend ins Klassenbuch einträgt?" "In Ordnung" gab Claudia zur Antwort und wandte sich wieder ihrem Kartenspiel zu, dass sie mit großer Geduld in jeder Pause fortführte.

Eigentlich waren Kartenspiele in der Schule verboten, aber niemand schien sich so recht darum zu kümmern. Genau so wenig wie um das Verbot im Gebäude Schneeballschlachten zu schlagen. Das Linoleum war feucht und glitschig von all den Geschossen die durch das weit offen stehende Fenster aus dem Raucherhof herauf katapultiert worden waren. Margarets Kopf fühlte sich wie ein riesiger, kochend heißer Luftballon an, der auf irgend eine unersichtliche Weise an ihrem Hals montiert war. Er tat nicht mehr weh als sonst auch. Seit drei Wochen pochte das Blut mit unangenehmer Stärke durch ihre Schläfen und der Luftballon Kopf schien bisweilen in einer unsichtbaren Schraubzwinge verkeilt zu sein, Natürlich war es nur logisch bei solchen Schmerzen flimmernde Computerbildschirme zu meiden, aber eigentlich wollte sie die Entschuldigung nicht deshalb aus der Schulärztin heraus locken, sondern weil sie einfach nicht wusste wie sie weitere zwei Stunden in diesem Kessel überstehen sollte. Es war ihr als hätte jemand eine Kanne kochenden Wassers über ihr ausgelehrt. Die Pause neigte sich dem Ende zu als Margaret die Treppe in das Untergeschoss hinab glitt, wie eine Schlange die sich durch Massen von herumstehenden, laut schwätzenden Schülern schlängelte. Im Untergeschoss roch es nach abgestandener, muffiger Luft und Ölfarben die für den Kunstunterricht verwendet wurden.

Hier waren die Gänge menschenleer. Alle gingen in den Pausen hinauf ins Erdgeschoss und versuchten einen Platz auf der begehrten Couch zu ergattern. Noch ein Stockwerk nach unten, zum unterirdischen Verbindungsgang der Margarets Schule mit dem gegenüberliegenden Gebäude verband.

Die Wände waren bunt bemalt. Zwischen den Bildern hatte jemand kleine Gedichte niedergeschrieben. "Hallo du Sau!" stand da zum Beispiel in kritzeliger Schrift, gleich neben den Worten "Angie was here", Die absurden literarischen Ergüsse an den Wänden entlockten Margaret ein trockenes Lachen. Sie lauschte dem Widerhall ihrer eigenen Schritte, die in dem langen, engen Gang laut und bedrohlich klangen.
Jemand schien hinter ihr zu sein.
Ruckartig drehte sie sich um.
Niemand war zu sehen.
Aber hinter der letzten Biegung konnte sie leise Stimmen hören und begann zu laufen.
Sie konnte den dunklen Verbindungsgang nicht ausstehen.
Aus einem Grund der ihr selbst nicht klar war, durfte sie von ihrem unbekannten Verfolgern nicht gesehen werden, dass wusste sie.
Eilig steuerte sie auf die Schwingtür zu die das Ende des Korridors bildete. Die Milchglas Scheibe der rechten Türe war zerbrochen. Wie die Arme eines weit verzweigten Flusses war die Scheibe in viele kleine Splitter unterteilt, die auf wundersame Weise zusammen hielten, als wären sie mit Klebstoff befestigt worden. Margaret zog die Türe mit beiden Händen auf und stürmte die Treppenflucht hinauf. Als sie außer Blickweiter der Verfolger war, warf sie einen Blick zurück. Nichts. Der Korridor den sie eben verlassen hatte lag still und dunkel da.
Keine Verfolger in Sicht.

Etwas ruhiger nahm Margaret die Treppe in den 1. Stock in Angriff. Der Geruch von altem Fett drang in ihre Nase. Dieses Gebäude gehörte zum Greta-Hof einer Hauswirtschaftsschule. Zwei Mädchen mit weißen Kopftüchern und gestärkten Schürzen kamen ihr entgegen. Wortlos stapfte Margaret an den beiden zukünftigen Hausmädchen vorbei und öffnete die Türe zum Wartezimmer der Schulärztin. Leer lag der Raum vor ihr. Vor der Tür zum Behandlungszimmer blieb sie stehen und griff nach der Türlinke. Gleich darauf zog sie die Hand wieder zurück und klopfte zwei mal an.

Von drinnen hörte sie die Stimme der Ärztin. Margaret verstand die Worte nicht. Es war ein Brei aus Silben, unverständliches Singsang, ohne jegliche Bedeutung.
Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt breit. Verschwommen konnte sie die Umrisse eines Mädchens ihres Alters ausmachen und zog die Tür umgehend wieder zu. Sie ließ sich in einen der Plastikstühle im Wartezimmer fallen und sah aus dem Fenster. Es schneite wie wild. Alles schien von einem weißen Film überzogen zu sein. Die Tür zum Korridor öffnete sich und eine kleine Gruppe zukünftiger Hausmädchen betrat das Wartezimmer laut schnatternd. Gleich darauf sprang auch schon die Tür zum Behandlungszimmer auf und spuckte ein weiteres Hausmädchen aus, dass sogleich durch die nächste Tür entschwand.

Klick - und die Tür fiel ins Schloss.
Margaret stand auf und spähte in den Behandlungsraum.
"Ja" sagte die Ärztin und Margaret trat ein und schloss die Türe leise hinter sich.
Klick. "Grüß Gott. Ich wollte fragen ob ich eine Entschuldigung für den Nachmittagsunterricht haben könnte." platzte Margaret unumwunden heraus. "Ich habe Kopfschmerzen und am Nachmittag die ganze Zeit über vor dem Computer zu sitzen.." Sie ließ den unvollendeten Satz im Raum stehen und setzte sich.
"Wissen sie wieso sie Kopfschmerzen haben?"
Was war das denn für eine Frage? Margaret schüttelte den Kopf. Eine wortlose Lüge.
Kopfschmerzen sind eine häufig auftretende Nebenwirkung von Anti Depressiva. Aber Margaret hatte noch niemandem gestanden, dass sie psychisch krank war und hatte das auch jetzt nicht vor.
Sie war nicht bereit sich den Stempel einer Geisteskranken aufbrennen zu lassen. Gerade weil es die Wahrheit war.

"Hatten Sie in letzter Zeit Probleme?"
"Nein." hört sie sich zur Antwort geben.
'Du bist nahe dran' dachte Margaret anerkennend.
Diese Ärztin hatte einen guten Instinkt. Oder weibliche Intuition. Das kommt drauf an wie man es sehen möchte.
Sympathisch.
"Nein" wiederholte Margaret. "Ich habe aber in letzter Zeit nicht viel geschlafen, vermutlich ist das der Grund"
"Warum?" fragte die Ärztin wieder.
Das ewige "Warum?" schien ein Tick von ihr zu sein.
"Haben sie denn so viel zu lernen?" gibt die Ärztin einen Tipp ab.
"Nein, ich konnte einfach nicht schlafen."
"Möchten Sie eine Aspro?"
"Eigentlich nicht" gestand Margaret. "Die helfen schon lange nicht mehr".
Das stimmte. Aber vor allem hatte sie einfach keine Lust mehr Pillen zu schlucken. Es bereitete ihr schon Mühe genug die Anti Depressiva regelmäßig einzunehmen. Es war ohnehin sinnlos. Sie blieb immer die selbe alte Margaret, egal was sie einnahm. Sie war ein Wrack.

"Haben Sie etwas Zeit?"
Margaret zuckte die Schultern und räusperte sich. Sie wusste nicht so recht worauf die Schulärztin hinaus wollte.
Die Ärztin forderte Margaret auf sich hinzulegen und begann mit einer Akupressur. "Schießen Sie die Augen" diktierte die Ärztin.
Margaret schloss die Augen.
Die Berührung der Ärztin fühlte sich wie Honig an und durchzog ihren Kopf mit einem angenehm kribbeligen Gefühl. Sie versuchte an nichts zu denken. An gar nichts. Aber immer wieder blitzten Bilder von noch zu erledigenden Aufgaben in ihr auf, wie Leuchtreklamen und wurden von einem unangenehmen, kurzen Stechen in ihren Schläfen begleitet.

Schließlich verschwand die Ärztin hinter ihrem großen Tisch und begann etwas zu schreiben. Margaret blieb noch einen Moment liegen, ehe sie sich langsam aufsetzte und ihre Beine vom Patiententisch baumeln ließ. Eigenartig, dass ihre Füße den Boden nicht berührten. Margaret war ziemlich groß, aber auf dem hohen Tisch sitzend kam sie sich vor wie eine Vierjährige die verloren auf einem übergroßen Küchensessel zappelte.
"Wie war noch Ihr Name?" fragte die Ärztin ohne aufzusehen.
"Margaret" hörte sie sich antworten.
" M A R G A R E T " buchstabierte sie.
".. Ihre Klasse?"
"IIIB ... IIIB HAK"
Ein nicken der schreibenden Gestalt.
Margaret lauschte dem raschelnden Geräusch, als die Ärztin Margarets Entschuldigung an der Perforation von den restlichen, noch unbeschriebenen Entschuldigungsformularen ablöste.
Ritsch.
Eine Hand reckte sich Margaret entgegen an deren Ende der bekritzelte Zettel baumelte.
Sie griff danach.
"Danke" hörte sie sich sagen und ging zur Tür.
Langsam und gemächlich durchstreifte sie die menschenleeren, tristen Korridore. Die Akupressur hatte ihr einen Takt gegeben. Den Takt ihres eigenen Herzschlages, der unabänderlich und gleichmäßig fortfuhr ohne von ihren Gefühlen beeinflusst zu werden. Hätte sie ihn beeinflussen können, hätte sie ihr Herz längst angehalten und eben so ruhig wie sie jetzt war miterlebt wie das Blut in ihren Adern stocken, sich verdicken und ihr endlich den ersehnten Tod gewähren würde. Wie eine Schlafwandlerin durchquerte sie abermals den Verbindungsgang unter der Erde. Das Gefühl verfolgt zu werden war restlos verschwunden.

Als sie auf der anderen Seite des Durchgangs die Treppe in die Kellerräume, wo die Kunsträume waren, hinaufstieg, sah sie gleichgültig auf einen dreibeinigen Sessel, der mit Draht überspannt und teilweise mit Pappmaschee überzogen worden war. 'Wie unpraktisch' dachte sie und die unausgesprochenen Worte hallten unbeachtet in ihrem Kopf wieder.
Ungläubig stellte sie fest, dass sie vollkommen ruhig war.
Das erste mal seit einer Ewigkeit war sie ruhig.
Mit absurder Gleichgültigkeit stelle sie fest, dass die Betriebswirtschaftsstunde bereits zur Hälfte vorüber war. Eine sanfte Müdigkeit umnebelte sie.

Margaret streckte ihre Hand nach der Wand aus und streifte mit ihrem Zeigefinger daran entlang. Margaret spürte wie sich ihr Finger leicht bog als sie ihn an der rauen, unebenen Oberfläche der Mauer entlang gleiten ließ. Sie warf noch kurz einen Blick auf die kritzelige Entschuldigung die ihr die Ärztin ausgestellt hatte. Es war ihr ein Rätsel, dass alle Ärzte so unleserlich schrieben. Beinahe schien es ihr als wäre es ein ungeschriebenes Gesetz, eine stumme Übereinkunft, der alle Ärzte zu folgen hatten, ob sie nun wollen oder nicht. Sie öffnete die Klassentür einen Spalt breit und spähte hinein. Unwirsch starrte ihr ein fremdes Lehrergesicht entgegen.
"Ich war bei der Schulärztin" brachte Margaret hervor und wedelte mit dem zerknitterten Papierfetzen in ihrer Hand herum.
"Meine Schultasche" stammelte sie und trat in das Zimmer, griff nach der Tasche und verließ so schnell sie nur konnte den Klassenraum.
Sie hängte sich ihre Tasche um und ging den langen Gang entlang zur Garderobe. Quietschend und stöhnend sprang ihr Spint auf.
Margaret bückte sich um ihre Schuhe anzuziehen und zog die Schnürsenkel mit einer schnellen, abgehakten Bewegung fest. Sie klemmte ihren Schal mit den Beinen fest um die Hände zum anziehen ihres Mantels frei zu haben. Dann zog sie ihren Kragen zureckt, hängte sich den Schal um, nahm ihre Schultasche wieder auf und verließ das Schulgebäude.
Als ihr die beißende Kälte in die Haut schnitt, fühlte sie einen bohrenden Schmerz. Langsam aber sicher kehrte das Stechen in den Schläfen wieder. Margaret stieß die kalte Luft die ihr im Hals weh tat aus und sah zu wie sich ihr Atem in eine neblige, weiße Wolke verwandelte.
Vorsichtig schlurfte sie an der Hausmauer entlang und versuchte die glatt schimmernden Eisplatten zu umgehen.

In der vorhergehenden Woche hatte der Schulwart mit einem riesigen Schneepflug den ersten Schnee von der Wiese rechts der Schule geschabt und den Grund zum Parkplatz umfunktioniert. Das Wetter war noch zu warm dazu gewesen und als der Schnee zu schmelzen begann waren die Reifen der Autos in die feuchte Erde eingesunken, hatten die dunkle Erde aufgerissen und nun lag der Geruch geschundener Erde in der Luft, der sich, mit dem Gestank der Abgase versetzt, zu einem zähflüssigen Brei aus Eindrücken mischte. Müde schleppte Margaret sich die Hauptstrasse entlang, durch die schmale Gasse zwischen dem Gerichtsgebäude und der Apotheke und einen leicht ansteigenden Hügel hinauf, an dem ein Haus an das andere anschloss. Mauer an Mauer.

Endlich bog sie in die Gasse in der sie wohnte ein. Als sie das Tor öffnete, hatten ihre Kopfschmerzen bereits wieder das übliche Maß erreicht. Laut scheppernd knallte das Tor gegen eine kleinen, abgeschlagenen Pfosten.
Schlüssel in das Schloss stecken, herumdrehen, Klinke herunterdrücken, Türe öffnen, eintreten, Schuhe ausziehen, Jacke und Schal aufhängen.
"Hallo" hörte Margaret sich wie aus Reflex laut zur Begrüßung rufen.
Erklären warum sie schon so früh heim kommt.
"Mmmmm.. das Essen ist aber gut"   "Danke"
Um 5 Uhr Termin beim Zahnarzt.
Vorher Zähne putzen, wegen dem guten Eindruck den man wahren muss.

Beim Zahnarzt

Das Klicken der Türe hallte im Treppenhaus unnatürlich laut wider. Wie immer sprintete sie zum Treppenabsatz, in der Hoffnung ihn zu erreichen ehe die Türe ins Schloss fallen würde. Es war ein zwanghaftes Spiel, oder auch ein als Spiel getarnter Zwang. Sie hetzte die ersten drei Stufen hinauf und war erleichtert erst jetzt das unsanfte krachen der Türe zu hören.
Nervös glitt sie an der Sprechstundenhilfe vorbei und huschte ins Wartezimmer. Es war modern eingerichtet. Mit anderen Worten war es todlangweilig. Als Margaret kleiner gewesen war hatte sie sich oft die Zeit damit vertrieben das Zimmer in Gedanken neu einzurichten. Seit damals hatte sich kaum etwas im Raum verändert. Die Wand war mittlerweile etwas abgeschlagen und auch die Sessel sahen etwas schäbig aus. Die graue Ablage für Magazine war neu, Die sah aus als gehörte sie in eine Trafik Nur die Preis Aufkleber fehlten darauf. 29,90 Supertiefstpreis.
Margaret las die Titel der Magazine die da in Reihe und Glied aufgestellt waren. GQD, Mademoiselle, Cosmopolitan, Segelflug aktuell und einige Fachzeitschriften.
"Bitte" forderte sie eine Gestalt wortkarg auf ihr zu folgen. Margaret sah auf um die Arzthelferin zu erkennen, die viel zu enge weiße Jeans an hatte. Sie stand auf. Der Sessel quietschte. Ordination 3.

Hunderte kleiner, brauner Schachteln die Zahnspangen beinhalteten türmten sich in einem Regal. Jede Schachtel war mit krakeliger Ärzteschrift nummeriert und sorgfältig am dafür vorgesehenen Platz eingeordnet worden. Als Margaret sich setzte raschelte der mit durchsichtigem Plastik vor Dreck geschützte Zahnarztstuhl leise. Unruhig wanderte Margarets Blick durch den Raum. Eine Weile verharrte sie bei einem eigenartigen Bild. Eine raue Leinwand. Violette Punkte auf schwarzem Hintergrund. Moderne Kunst. "Das könnte ich auch" denkt Margaret und lässt ihren Kopf auf die Lehne fallen. Endlich springt die Tür auf und der grinsende Zahnarzt schiebt sich in den Raum.
"Abend" sagt er.
"Grüß Gott" hört Margaret sich erwidern.
Sie reißt den Mund so weit auf wie sie nur kann. So weit, dass ihre Mundwinkel brennen. Der Arzt fuhrwerkt in ihrem Mund herum und der Geruch von Gummihandschuhen dringt in Margarets Nase.
"Hmmm.." macht der Arzt.
"Sieht gut aus" sagt er.
Als der Arzt endlich seine Finger aus ihrem Mund nimmt und sich den Röntgenbildern die vorher gemacht wurden widmet, schließt sie erleichtert den Mund.
"Mal schauen ob da etwas zu sehen ist" murmelt der Arzt in eine Bart den er nicht hat.
Er scheint mehr zu sich selbst als zu Margaret zu sprechen.
"Hmmm.." macht der Arzt abermals, aber diesmal heuchelt er Besorgnis. Er erklärt lang und breit dass da an zwei Stellen in Margarets Mund Karies entsteht. Noch sei der Zahn nicht angegriffen, aber das würde er bald sein,.. Das hätte er, der Zahnarzt, schon im Vorjahr gesehen, aber er hätte Margaret nichts davon gesagt um zu sehen ob es nicht vielleicht wieder zurück ginge, sagte er beiläufig.

Margaret fühlte wie Wut in ihr aufstieg. Warum hatte der Arzt ihr dann nicht schon letztes Jahr von der Karies erzählt? Der Arzt begann von Zahnhygiene zu schwafeln und von fluorhältiger Zahncreme, die jetzt die einzige Rettung für ihre Zähne sei,..

Klick!

Dieser geldgeile, eingebildete, dümmlich grinsende Metzger hörte Margaret sich denken. Sie spürte eine tiefe, unaufhaltsame Unruhe in sich wachsen, die ihre Gedanken lähmte. Es kam ihr vor als hätte sie kein Blut, sondern Ameisen in ihren Adern.
"Sie wissen aber schon, dass Fluor giftig ist?!" keuchte sie atemlos als sie sich reflexartig aufsetzte. Der Arzt wandte sich ihr peinlich Berührt zu und schwafelte weiter. Margaret hatte im Chemie Unterricht von Fluor gehört. Es war nie bewiesen worden, dass es auch nur den geringsten Effekt auf Zähne hatte, bewiesen war aber, dass es ein Gift ist, dass Gehirnzellen abtötet. Margaret stellte erstaunt fest, dass sie nickte.
Im nächsten Moment stand sie in der Tür, die Hand am Türknauf.
Sie wusste nicht warum sie aufgestanden war.
Die letzten Minuten verschwanden in dichtem Nebel, der sich um sie auftürmte. Schon spürte sie einen Kloß in ihrem Hals wachsen.
Nicht mehr rückgängig zu machen.
Margaret versuchte Luft zu holen.
"Auf Wiedersehen" brachte sie hervor und flüchtete, hetzte die Treppe hinunter und stieß die schwere Haustür auf.

Draußen war es bereits dunkel.
Margaret fühlte sich müde und ausgebrannt.
Ein weiterer Fehler den sie einer langen Liste hinzufügen konnte.
Sie war so gereizt gewesen, zweifellos war sie laut geworden, aber genau konnte sie sich nicht erinnern. Sie spürte wie die Kälte durch ihren Mantel kroch und ihre Zähne sich unnatürlich aneinander pressten. Nein, sie machte keine Fehler. Sie war ein einziger Fehler.

Eine einsame Gestalt schlich leicht gebückt zum Parkplatz und blieb eine Weile an ein Auto gelehnt stehen ehe sie in der Dunkelheit verschwand, als wäre sie nie da gewesen.